„Theophilos von Edessa“ – Versionsunterschied

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen
[gesichtete Version][gesichtete Version]
Inhalt gelöscht Inhalt hinzugefügt
K →‎Anmerkungen: interwiki
Zeile 56: Zeile 56:
}}
}}


[[en:Theophilus of Edessa]]
[[fr:Théophile d'Édesse]]
[[fr:Théophile d'Édesse]]
[[hu:Edesszai Theophilosz]]

Version vom 5. September 2011, 22:46 Uhr

Theophilos von Edessa (* 695; † 785) war ein christlich-syrischer Gelehrter im 8. Jahrhundert, dessen heute verlorene Chronik eine wichtige Quelle für spätere Geschichtsschreiber war.

Leben und Werke

Theophilos war der Sohn eines gewissen Thomas und stammte aus Edessa in Syrien, das damals im Machtbereich des Kalifats lag. Er war umfassend gebildet und galt als hervorragender Astronom (bzw. Astrologe). Obwohl selbst überzeugter Christ, war er schließlich als Hofastrologe des Kalifen al-Mahdi tätig, in dessen Gunst er offenbar stand. Aus einem Brief an seinen Sohn Deukalion geht hervor, dass er den Kalifen sogar auf einem Feldzug in den Osten nach Persien begleitete.

Theophilos galt als ein ausgezeichneter Gelehrter und schrieb zahlreiche Werke, von denen aber nur geringe Teile erhalten sind. Er beschäftigte sich unter anderem mit Aristoteles, dessen Sophistische Widerlegungen er vielleicht ins Syrische übersetzte. Auch andere griechische Werke scheint er ins Syrische übertragen zu haben. Dazu gehörte ein Werk des Galenos sowie wohl zumindest Teile der Ilias und vielleicht auch der Odyssee, da Gregorius Bar-Hebraeus davon berichtet, dass Theophilos „die zwei Bücher Homers über die Eroberung der Stadt Ilion“ übersetzt hat; von dem Werk ist jedoch nichts erhalten, während von seinen astronomischen Arbeiten einige Fragmente bekannt sind, die im Catalogus Codicum Astrologorum Graecorum gesammelt sind.[1] Beliebt bei späteren muslimischen Autoren war seine astronomische Abhandlung Über militärische Vorzeichen, verfasst in griechischer Sprache.[2] Sie scheint auch ins Arabische übersetzt worden zu sein und war auch in Byzanz bekannt. Ebenso hat Theophilos, der späteren Berichten zufolge Maronit war, seine christlich-theologischen Positionen gegen Angriffe anderer Christen schriftlich gerechtfertigt.

Die Chronik des Theophilos

Von den Werken des Theophilos ist für die historische Forschung besonders dessen heute verlorene Chronik von Interesse, die dieser (sehr wahrscheinlich in syrischer Sprache) verfasst hat. In der modernen Forschung wird in der Regel angenommen, dass diese Chronik eine wichtige Quelle für das Werk des Theophanes und mehrere syrische Chronisten war. Dass sich Theophanes für das 7. und das frühe 8. Jahrhundert auf eine syrische Quelle (allerdings in griechischer Übersetzung) gestützt haben muss, wird allgemein akzeptiert, denn nur so lassen sich die Übereinstimmungen bei Theophanes und mehreren syrischen Chronisten erklären. Letztere hatten keinen Zugriff auf Theophanes und sind zudem oft ausführlicher als dieser. In den entsprechenden Partien seiner Chronik verfügte Theophanes über weitgehend gute Informationen über die Geschehnisse im Kalifat, die offenbar aus einer östlichen Quelle stammen,[3] die heute mit Theophilos gleichgesetzt wird.[4] Die Chronik des Theophilos wurde ebenso von syrischen Chronisten benutzt: Zuerst von Dionysius von Tell Mahre um 845, später (wohl indirekt vermittelt durch Dionysius) von Michael Syrus sowie dem anonymen Autor der Chronik von 1234 und im 10. Jahrhundert direkt von dem christlichen Araber Agapios, der explizit Theophilos als Quelle nennt.[5] Des Weiteren hat Bar-Hebraeus die Chronik gekannt.

Es ist unklar, wann die Chronik des Theophilos begann und wann sie genau endete. Aufgrund verschiedener Übereinstimmungen geht Robert Hoyland, der erstmals eine umfassendere quellenkritische Sichtung des Materials bezüglich Theophilos vornahm, davon aus, dass die Chronik etwa im Jahr 590 begann und ca. 754/55 endete; sie scheint nicht streng annalistisch aufgebaut gewesen zu sein.[6] Der Anfangspunkt deckt sich mit dem Beginn der Herrschaft des Sassanidenkönigs Chosrau II.; einen ähnlichen Ansatz hatte auch der spätantike Geschichtsschreiber Johannes von Epiphaneia verfolgt. Das Ende deckt sich mit dem Regierungsantritt des Kalifen al-Mansur. Theophanes stand wie bereits erwähnt eine griechische Übersetzung der Chronik zur Verfügung, die anscheinend eine Fortsetzung bis 780 enthielt.[7]

Schwierig ist die Frage zu beantworten, welche Quellen Theophilos benutzt hat. Die bis ins frühe 7. Jahrhundert reichende Geschichtsschreibung in Byzanz brach mit dem Beginn der arabischen Eroberungen ab und setzte erst später wieder ein. Allerdings sind auch in der Zwischenzeit noch Aufzeichnungen gemacht worden, wenngleich keine regelrechten Geschichtswerke; ebenso wurde im frühen 8. Jahrhundert offenbar ein (heute verlorenes) Geschichtswerk eines gewissen Traianos Patrikios verfasst. Es darf daher angenommen werden, dass sich Theophilos durchaus auf griechisches Material stützen konnte und/oder syrische Quellen. Als eine syrische Quelle kommt vielleicht eine von Johannes von Litharb, einem Freund Jakobs von Edessa, verfasste Chronik in Frage. Auch muslimische Quellen wurden von Theophilos verarbeitet: Neben eher knappen Berichten über Herrschaftsjahre der Kalifen wohl auch mündliche Berichte. Für die Zeit ab 743 scheint er aus eigener Erfahrung berichtet zu haben.[8]

Die Schilderungen der Chronik scheinen insgesamt recht zuverlässig gewesen zu sein. James Howard-Johnston hat auf die Übereinstimmung der durch Theophilos vermittelten Berichte hinsichtlich des 7. Jahrhunderts mit anderen Autoren aufmerksam gemacht, wobei Theophilos auch einige (teils eher lokale) Zusatzinformationen bringt.[9] Die Chronik enthielt allerdings auch einige Fehler, vor allem hinsichtlich der ersten Phase der arabischen Eroberungen in Syrien und Ägypten, die vielleicht auf die Vermischung von Informationen aus verschiedenen Quellen zurückzuführen sind.[10] Für die nachfolgende Zeit scheint die Chronik jedoch kaum Fehler zu enthalten und vermittelte für diesen Zeitraum wichtige Informationen.[11] Hoyland zufolge ist eine Schwäche der Chronik, dass kein übergeordnetes Thema für die Darstellung existiert zu haben scheint. Theophilos hat demnach wohl den Wunsch gehabt, eine historische Darstellung zu bieten, in der offenbar theologische Fragen keine wichtige Rolle spielten, sondern die (freilich mit Anekdoten gewürzte[12]) politische Geschichte im Mittelpunkt stand. Aufgrund seiner hellenophilen Haltung ist es auch nicht ganz unwahrscheinlich, dass sich Theophilos in gewisser Weise in der Nachfolge der spätantiken Geschichtsschreiber sah.[13]

Es bleibt festzuhalten, dass die Chronik des Theophilos von grundlegender Bedeutung für die Geschichte des Nahen Ostens im 7. und in der ersten Hälfte des 8. Jahrhunderts ist, da sie mehreren nachfolgenden (direkt oder indirekt) Geschichtsschreibern als wichtige Quelle gedient hat.

Übersetzungen

  • Robert G. Hoyland (Hrsg.): Theophilus of Edessa's Chronicle and the Circulation of Historical Knowledge in Late Antiquity and Early Islam (Translated Texts for Historians 57). Liverpool University Press, Liverpool 2011. [Englische Übersetzung von Theophilos zugewiesen Passagen bei Theophanes, Agapios, Michael Syrus und der Chronik von 1234, mit Angabe der Texteditionen, Einleitung und Kommentar.]

Literatur

  • Anton Baumstark junior: Geschichte der syrischen Literatur mit Ausschluss der christlich-palästinischen Texte. Bonn 1922, S. 341f.
  • James Howard-Johnston: Witnesses to a World Crisis. Historians and Histories of the Middle East in the Seventh Century. Oxford University Press, Oxford 2010, S. 192ff.
  • Herman G. B. Teule: Theophilus of Edessa. In: David Thomas, Barbara Roggema (Hrsg.): Christian-Muslim Relations. A Bibliographical History. Volume 1 (600–900). Brill, Leiden 2009, S. 305–308.
  • Theophilos, Nr. 8183. In: Prosopographie der mittelbyzantinischen Zeit: Erste Abteilung (641–867). Nach Vorarbeiten von Ralph-Johannes Lilie, Claudia Ludwig, Thomas Pratsch, Ilse Rochow, Beate Zielke. Bd. 4, Berlin 2001, S. 640.

Weblinks

Anmerkungen

  1. Zu den diesbezüglichen Fragmenten siehe CCAG, Brüssel 1898ff. (Bd. 1, S. 129–131; Bd. 4, S. 93f. und S. 122f; Bd. 5.1, S. 212ff.; Bd. 8.1, S. 266–270; Bd. 11.1, S. 204ff.).
  2. Vgl. Robert Hoyland (Hrsg.): Theophilus of Edessa's Chronicle and the Circulation of Historical Knowledge in Late Antiquity and Early Islam (Translated Texts for Historians). Liverpool 2011, S. 6f.
  3. Siehe auch Wolfram Brandes: Der frühe Islam in der byzantinischen Historiographie. Anmerkungen zur Quellenproblematik der Chronographia des Theophanes. In: A. Goltz / H. Leppin / H. Schlange-Schöningen (Hrsg.): Jenseits der Grenzen. Berlin/New York 2009, S. 313–343, speziell S. 319ff.
  4. Wolfram Brandes: Der frühe Islam in der byzantinischen Historiographie. Anmerkungen zur Quellenproblematik der Chronographia des Theophanes. In: A. Goltz / H. Leppin / H. Schlange-Schöningen (Hrsg.): Jenseits der Grenzen. Berlin/New York 2009, S. 313–343, hier S. 327 und S. 329; Robert Hoyland (Hrsg.): Theophilus of Edessa's Chronicle and the Circulation of Historical Knowledge in Late Antiquity and Early Islam (Translated Texts for Historians). Liverpool 2011, S. 4f.
  5. Vgl. allgemein Robert Hoyland (Hrsg.): Theophilus of Edessa's Chronicle and the Circulation of Historical Knowledge in Late Antiquity and Early Islam (Translated Texts for Historians). Liverpool 2011 S. 7ff.
  6. Grundsätzlich dazu siehe nun Robert Hoyland (Hrsg.): Theophilus of Edessa's Chronicle and the Circulation of Historical Knowledge in Late Antiquity and Early Islam (Translated Texts for Historians). Liverpool 2011, S. 19ff.
  7. Vgl. dazu James Howard-Johnston: Witnesses to a World Crisis. Historians and Histories of the Middle East in the Seventh Century. Oxford 2010, S. 229f.
  8. Zur Quellenfrage siehe Robert Hoyland (Hrsg.): Theophilus of Edessa's Chronicle and the Circulation of Historical Knowledge in Late Antiquity and Early Islam (Translated Texts for Historians). Liverpool 2011, S. 23ff.
  9. James Howard-Johnston: Witnesses to a World Crisis. Historians and Histories of the Middle East in the Seventh Century. Oxford 2010, S. 199ff.
  10. James Howard-Johnston: Witnesses to a World Crisis. Historians and Histories of the Middle East in the Seventh Century. Oxford 2010, S. 232.
  11. James Howard-Johnston: Witnesses to a World Crisis. Historians and Histories of the Middle East in the Seventh Century. Oxford 2010, S. 233.
  12. Vgl. auch Lawrence Conrad: The Arabs and the Colossus. In: Journal of the Royal Asiatic Society 3rd ser. Band 6 (1996), S. 165–187.
  13. Robert Hoyland (Hrsg.): Theophilus of Edessa's Chronicle and the Circulation of Historical Knowledge in Late Antiquity and Early Islam (Translated Texts for Historians). Liverpool 2011, S. 22f.