Tierrechte

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Tierrechte bezeichnet die tierethische Konzeption von Rechten für nichtmenschliche[A 1] Tiere. Die Art der vorgeschlagenen Rechte und die davon betroffenen Tiere variieren dabei in verschiedenen Tierrechtsphilosophien.

In der Diskussion um Tierrechte versucht man zu begründen, warum nichtmenschlichen Tieren subjektive (grund-)Rechte zustehen oder nicht. Während praktisch alle Gesellschaften zunächst Rechte von Tieren als mittelbar (und insbesondere nur als mittelbar) aus menschlichen Ansprüchen ableiten, argumentieren Tierrechtler auf verschiedene Arten und Weisen für eine Berücksichtigung genuin nichtmenschlicher Interessen durch normative Ansprüche. Als unmittelbare Folgerung aus diesen Ansprüchen leiten sie sehr weitrechende Forderungen an eine Gesellschaft bezüglich des Umgangs mit nichtmenschlichen Tieren ab.

Die Kritik an den Tierrechten ist im Wesentlichen entweder metaethisch, indem die Argumentation diskreditiert wird oder konsequentialistisch, indem die Forderungen als „zu weitreichend“ oder „im Widerspruch zu anderen Theorien“ abgelehnt werden.

Das Verhältnis zwischen Tierrechten und Tierethik als Teildisziplin der Bioethik lässt sich so charakterisieren, dass die Tierethik zunächst fragt, ob oder welchen moralischen Status nichtmenschliche Tiere im Verhältnis zum Menschen und zur unbelebten Natur haben, während im Konzept der Tierrechte bereits eine bejahende Antwort enthalten ist.

Der praktische Arm, der Theorie um die Tierrechte ist die sog. Tierbefreiungsbewegung.

Tierrechte, Arten- und Tierschutz

Arten- und Naturschutz rührt aus einer Verantwortung des Menschen für die gesamte Umwelt unter Einbeziehung auch von Pflanzen und niederen Wesen bzw. im christlichen Sinne für die gesamte dem Menschen anvertraute Schöpfung heraus. Beim Natur- und Landschaftsschutz wird auch die unbelebte Natur miteinbezogen. Die Tierrechtsbewegung hingegen betont eine Autonomie oder gar Gleichstellung von höheren Tieren gegenüber dem Menschen. Tierschutz legt den Schwerpunkt auf die sach- und artgerechte Haltung, Umgang und Nutzung von Tieren durch den Menschen, während genau dies aus der Sicht vieler Tierrechtsvertreter scharf abgelehnt wird. Einige Tierrechtsforderungen gehen weit über den Tierschutz hinaus. In der öffentlichen Wahrnehmung werden Tierrechtler jedoch häufig mit Tierschützern gleichgesetzt; auch bestehen Übergänge zwischen beiden Gruppierungen.

Positionen

Tierrechte werden für jene Tiere vorgeschlagen, die nach Ansicht der Vertreter der Tierrechte ein Bewusstsein besitzen. Grundlage hierfür sind ethische Konzepte der Philosophie, die davon ausgehen, dass Tiere über eine Schmerz- und Leidensfähigkeit verfügen. Dies ist eine pathozentrische Ethik (von altgriechisch: pathein ~ deutsch: leiden). Damit verwandt, aber noch darüber hinaus geht die Position, Tieren eine eigene Würde zuzusprechen, mithin ein Recht auf ein bestimmtes Maß an Selbstbestimmung (Autonomie). Freiheit oder Selbstbestimmung steht dann als Wert im Zweifelsfall höher als Leidensvermeidung, bzw. Glücksförderung.

Solchen Tieren, meist zählen dazu alle Wirbeltiere, sollen demzufolge das Verfügungsrecht am eigenen Leib sowie die Möglichkeit begrenzter Selbstbestimmung gegeben werden. Die gängige Praxis, Tiere als Eigentum oder Handelsgut zu behandeln, wird abgelehnt.

Die Vergabe von Rechten an bestimmte Tiere bedeutet nicht die rechtliche Gleichstellung von Mensch und Tier. Tierrechte sollen nach Ansicht ihrer Befürworter einer Tierart nach Komplexität des Gehirns und entsprechend vermuteter Unterschiede der Bewusstseinsfähigkeit angepasst sein. Unabhängig vom Nutzen, den ein Tier dem Menschen bietet, argumentieren Tierrechtler, soll dem Tier die Bestimmung über das eigene Schicksal soweit wie möglich gewährt werden; das Eigentum an Tieren und deren Nutzung soll also hinter das Selbstbestimmungsrecht des Tieres zurücktreten. Die meisten Tierrechtler sehen den Gebrauch von Tieren zum Gewinn von Nahrung oder Kleidung, zur Unterhaltung oder zu Forschungszwecken als unvereinbar mit den vorgeschlagenen Tierrechten an.

Geschichte

Die moderne Tierrechtsbewegung geht auf eine Gruppe von Dozenten der University of Oxford zurück, die in den 70er Jahren anzuzweifeln begannen, ob der moralische Status von Tieren gegenüber dem von Menschen notwendigerweise minderwertig sein sollte. Unter ihnen befand sich auch der Psychologe Richard Ryder, der 1970 - analog zum Rassismus - den Begriff Speziesismus prägte. Ryder war Mitautor von Animals, Men and Morals: An Inquiry into the Maltreatment of Non-humans, das von Roslind und Stanley Godlovitch und John Harris herausgegeben und 1972 veröffentlicht wurde. Eine Rezension von Peter Singer für die The New York Review of Books legte wiederum die Grundlage für dessen 1975 erschienenen Buches Animal Liberation, welches als ein Klassiker der Tierrechtsbewegung gilt.

Als klassisch werden unter anderem The Case for Animal Rights von Tom Regan (erschienen 1983), Created from Animals: The Moral Implications of Darwinism von James Rachels (1990), Rattling the Cage: Toward Legal Rights for Animals von Steven M. Wise (2000) und Animal Rights and Moral Philosophy von Julian H. Franklin (2005) betrachtet. Neben diesen Büchern erschien auch eine Vielzahl wissenschaftlicher Aufsätze, zum Beispiel von bereits erwähntem Donald VanDeVeer und von Brent A. Singer u.a. (vgl. auch unten im Absatz zu Philosophie). In Deutschland setzen sich zum Beispiel Menschen für Tierrechte - Bundesverband der Tierversuchsgegner e.V. seit mehreren Jahren für die gesellschaftliche und rechtliche Anerkennung elementarer Tierrechte und deren Umsetzung ein.

Philosophische Standpunkte

Peter Singer; sein Buch Animal Liberation wird von vielen als Keimzelle für die Entstehung der Tierrechtsbewegung betrachtet

Gemein ist den meisten Argumenten ein naturalistisches Moment, das aus gewissen für einen Rechtsbegriff angeblich relevanten homologen, d. h. evolutionär kontinuierlichen, Eigenschaften eine Widerspiegelung im Moral- beziehungsweise Rechtsverständnis fordert. Oft konstituieren Tierrechtsargumente so auch gleichzeitig eine moralphilosophische Herleitung für Menschenrechte. Aufgrund der angeblich naturwissenschaftlichen Unschärfe des Artbegriffs auf der Subjektebene, könne allein aufgrund der Zugehörigkeit zu einer Art niemandem ein subjektives Recht zugeschrieben oder aberkannt werden. Dieser angebliche Fehlschluss wird als speziesistisch bezeichnet.

Utilitaristischer Ansatz

Klassischerweise wird in Peter Singers Buch Animal Liberation[A 2] von 1975 eine Zäsur gesehen, in dem die Diskussion um den Veganismus eine neue Qualität gewonnen hat. Darin argumentiert er, es gebe keine moralische Rechtfertigung, das Leid eines Wesens, gleich welcher Natur es sei, nicht in Betracht zu ziehen. Spezielle nichtmenschliche Tiere von diesem Gleichheitsprinzip[A 3] auszuschließen sei so willkürlich, wie Menschen anderer Hautfarbe, Kultur, Religion oder Geschlecht auszunehmen.[1]

Kritik

Martha C. Nussbaum argumentiert etwa ausgehend von einem Vertragstheoretischen Modell nach John Rawls (sogenannter Capability Approach), man könne politisch nicht verantworten, die Entscheidung darüber, was als gute oder schlechte Konsequenz einer Handlung zu gelten hat, gesellschaftlichen Institutionen der Gerechtigkeit zu überlassen. Auch sei die Forderung, „Glück“ zu maximieren insofern unangemessen, alsdass lediglich die Sicherung der Voraussetzungen zu einem „guten Leben“ eine öffentliche Aufgabe seien könne. Anstelle einer Maximierung sei ein Minimalkonsens notwendig. In dem Prozessmodell, das sie verwendet, sieht sie zudem keine realistischen Möglichkeiten, dass die Vertragspartner und ihre Advokaten einen Minimalkonsens im Sinne von Tierrechten schließen können, hält es aber theoretisch nicht für ausgeschlossen.[A 4] Martin Balluch kritisiert Singers Ansatz, indem er angibt, dass eine objektive Berechnungsgrundlage für die Bemessung des zu maximierenden Glücks fehle. Da dieses genuin subjektiv sei und von dieselben Handlungen von ungleichen Individuen im Allgemeinen ungleich bewertet werden, sei eine globale Nutzenmaximierung theoretisch ausgeschlossen.[2]

Tom Regan.

Ansatz: Individualrechte

Als eine weitere qualitative Neuerung auf dem Gebiet wird der Ansatz von Tom Regan (The Case for Animal Rights) eingeschätzt. Im dessen Zentrum befinden sich Wesen, die sogenannte „Subjekte eines Lebens“ sind. Solche zeichnen sich durch Eigenschaften und Fähigkeiten wie Wahrnehmungen, Wünsche, Gedächtnis, Annahmen, Selbstbewusstsein, Zukunftsvorstellungen und Interessen aus. Subjekte eines Lebens sind normale erwachsene Menschen, normale Säugetiere, die ein Jahr alt oder älter sind, sowie jene Menschen, deren geistigen Fähigkeiten diesen Tieren entsprechen.

Subjekte eines Lebens haben ein individuelles Wohlergehen, das sich nicht prinzipiell vom Wohlergehen des Menschen unterscheidet: Sie haben biologische, psychologische und soziale Interessen, die im Laufe ihres Lebens mehr oder weniger realisiert bzw. erfüllt werden können. Es kann ihnen im Leben besser oder schlechter ergehen.

Zentral für das Verständnis des Wohlergehens ist die Autonomie: Subjekte eines Lebens haben Präferenzen, die sie selbst verfolgen können und selbst verfolgen wollen. Außerdem haben Subjekte eines Lebens einen inhärenten Wert. Wesen mit inhärentem Wert dürfen nie so behandelt werden, als hinge ihr Wert von ihrer Nützlichkeit für andere ab. In Anlehnung an Immanuel Kant könne man sagen: Wesen mit inhärentem Wert dürfen nie als bloßes Mittel zur Maximierung der Interessen aller betrachtet werden.

Ein weiterer Begriff, der auf Regan zurückgeführt wird ist, etwa in einem speziesismuskritischen Argument, oder auch als Erwiderung auf eine vertragstheoretische Kritik, die Unterscheidung zwischen sogenannten „Moral Agents“ (moralisch Handelnden) und „Moral Patients“. (moralisch Behandelten) Es sei innerhalb einer menschlichen Moral selbstverständlich, dass Individuen, die weder Moral begreifen, gestalten oder im Umgang mit anderen berücksichtigen können, dennoch einen zumindest elementaren Schutz durch ihre Regeln erfahren. Es sei für eine Verneinung von Tierrechten nicht hinreichend, tierliches unvermögen der Teilhabe am Ethischen Dialog zu konstatieren. Stattdessen müssten moralisch relevante Unterschiede hervorgebracht werden.

Ansatz: „Einfache Ethik“

Helmut F. Kaplan plädiert für eine möglichst einfache Ethik: [3] Einerseits sollten die vielen vorhandenen tierethischen Ansätze endlich einer breiteren Bevölkerungsschicht verständlich vermittelt werden. Andererseits sollten die Menschen „da abgeholt werden, wo sie sind“. Es müsse ihnen klar gemacht werden, dass ihre vorhandenen moralischen Überzeugungen, konsequent zu Ende gedacht und angewandt, den üblichen ausbeuterischen Umgang mit Tieren verbieten.

Kaplan will die „dritte Etappe der Tierethik“ einläuten, die Erkenntnis, dass komplexe moralische Überlegungen in Bezug auf Tiere ebenso überflüssig sind wie komplexe moralische Überlegungen in Bezug auf Menschen. („Wahre und wirksame Ethik ist einfach.“) Genauso wenig wie Menschen aufgrund ihrer Hautfarbe oder ihres Geschlechts diskriminiert werden dürften, dürften Tiere auch nicht aufgrund ihrer Spezies diskriminiert werden. Die Tierrechtsbewegung sei demnach die Fortsetzung anderer Befreiungsbewegungen wie die zur Befreiung von Sklaven oder der Emanzipation von Frauen. Eine der zentralen Aussagen Helmut Kaplans zum Themenfeld Tierrechte lautet:

Wir brauchen für den Umgang mit Tieren keine neue Moral. Wir müssen lediglich aufhören, Tiere willkürlich aus der vorhandenen Moral auszuschließen.

Helmut F. Kaplan

Seiner Meinung nach geht der Tierschutz oftmals nicht weit genug, da er sich größtenteils mit "Humanisierungen der Ausbeutung" begnüge. Die Tierrechtsbewegung dagegen fordere ein "Ende der Ausbeutung". Eine Humanisierung der Schlachtung zu fordern sei genauso wenig sinnvoll wie beispielsweise eine Humanisierung der Sklaverei oder die Zulassung zu einer "sanften Vergewaltigung".[4]

Ansatz: Praktische Autonomie

Steven Wise (Rattling the Cage, Drawing the Line) vertritt eine Verleihung von Tierrechten nach einem von ihm practical autonomy genannten Kriterium. Er sieht Tiere, die einen Sinn des „Ich“ besitzen, die intentionell handeln und Wünsche besitzen, als Kandidaten für bestimmte Grundrechte: Sie sollen nicht als Nahrung oder der medizinischen Forschung dienen dürfen. Auch im Hinblick auf die politische Durchsetzbarkeit schlägt er eine vorerst begrenzte Rechtsverleihung nur an wenige Tiere (Primaten, Delfine, Elefanten, Graupapageien) vor. Eine praktische Umsetzung findet sich beim in Seattle ansässigen Great Ape Project, welches sich bei den Vereinten Nationen für eine Erklärung für Menschenaffen einsetzt, die Gorillas, Orang-Utans, Schimpansen und Bonobos einige Grundrechte gewähren soll. Dies bedeute neben dem Recht auf Leben den Schutz der individuellen Freiheit und des Folterverbots.

Ansatz: Bestehende Ungleichbehandlung

Gary Franciones Werk Introduction to Animal Rights basiert auf folgender Voraussetzung: Sofern Tiere als Eigentum betrachtet werden, werden alle Rechte, die als selbstverständlich betrachtet werden könnten, durch diesen Status direkt zunichte gemacht. Er weist darauf hin, dass ein Aufruf, die Interessen des Eigentums denen der eigenen als gleichwertig zu betrachten, absurd sei. Ohne das elementare Recht, nicht als Eigentum der Menschen behandelt zu werden, hätten Tiere überhaupt keine Rechte, so Francione. Er postuliert, dass die Empfindsamkeit die einzige berechtigte Beschluss für moralen Status sei. Dies steht im Gegensatz zu Regan, der qualitative Maße in den subjektiven Erfahrungen seines „Subjekt-des-Lebens“ sieht, die auf einer losen Bestimmung desjenigen basieren, der in diese Kategorie fällt. Francione behauptet, dass es in den USA tatsächlich keine Tierrechtsbewegung gäbe, sondern nur eine Tierschutzbewegung.

In Einklang mit seiner philosophischen Position und seiner Arbeit in Sachen Tierrechte für das Animal Rights Law Project der Rutgers University weist er darauf hin, dass jede Anstrengung, die nicht die Abschaffung des Eigentumsstatus der Tiere fokussiert, irregeleitet wird und daraus letztendlich unvermeidbar die Ausbeutung von Tieren resultiert. Er argumentiert, dass es logischerweise widersprüchlich und unmoralisch sei, wenn die festgelegten Ziele, die Bedingungen der Tiere zu verbessern, niemals erreicht würden.

In seinem Buch Animals, Property, and the Law behauptet er, dass der Haupthinderungsgrund zur Verleihung von Tierrechten der Status von Tieren als „Dinge“ sei. Der Tierschutz versuche zwar, die Bedingungen für Tiere, nicht aber ihren Status zu ändern. Er hält es für inkonsequent, Haustiere wie Hunde und Katzen wie Familienmitglieder zu behandeln, gleichzeitig aber Rinder, Schweine und Hühner für Nahrung zu schlachten.

Vergleich

Diese verschiedenen Sichtweisen zur Frage von Tierrechten zeigen, dass die Bewegung kein einheitlicher Block ist. Innerhalb der Tierrechtsbewegung wird so beispielsweise Singers Utilitarismus-Ansatz von Vertretern wie Regan und Kaplan kritisiert, da er unter Umständen Praktiken wie Tierversuche, Zurschaustellung von Tieren oder Fleischkonsum legitimieren könnte.[5]

Ein Minimalkonsens besteht darin, die Situation von Tieren generell zu verbessern, indem Tierversuche abgeschafft werden und Menschen eine vegetarische Lebensweise anempfohlen wird.

Eine Auseinandersetzung innerhalb der Tierrechtsbewegung ist die Frage, welchen Tieren Rechte zugesprochen werden sollen und ob alle Tiere die gleichen Rechte erhalten sollen, oder ob die Rechte je nach Tierart variieren. Extreme Positionen wollen allen Tieren gleiche Rechte zusprechen, eher moderate Sichtweisen (Steven Wise) sehen eine Rechtsverleihung nur nach Erfüllung bestimmter, vom Menschen festzulegender Kriterien.

Kritik

Die sozialrevolutionären Forderungen von Tierrechtlern treffen auf teilweise harte Ablehnung. Die aus Tierrechten abgeleiteten radikalen Forderungen, etwa einen gesetzlich vorgeschriebenen und staatlich durchgesetzten Veganismus werden von vielen als insbesondere mit persönlichen Freiheitsrechten und Menschenwürde völlig unvereinbar gesehen.

Kritiker von Tierrechten argumentieren zudem, dass Tiere gar nicht die Fähigkeit dazu hätten, in eine Vertragstheorie mit einbezogen zu werden oder moralische Entscheidungen zu treffen. Dementsprechend seien sie auch nicht dazu in der Lage, die Rechte anderer zu respektieren oder Rechtskonzepte in irgendeiner Form zu verstehen. Ohne ein Tier als Rechtsperson anzuerkennen, sei es aber möglich - und bereits auch juristische Praxis - Tieren Leidensfähigkeit, Schmerzempfinden und weitere Grundbedürfnisse zuzugestehen und deren Respektierung auch von Menschen einzufordern.

Problematik der Tierrechte

Manche Kritiker, die aus einer bestimmten rechtsphilosophischen Position argumentieren, lehnen Tierrechte ab, weil nach dieser Konzeption ein Recht immer aus einer Selbsterkenntnis abgeleitet werden müsse, die bei Tieren nicht anzutreffen sei. Auch sei nach dieser Tradition ein Recht immer mit entsprechenden Pflichten verbunden. In der rechtstheoretischen Tradition, die nicht religionsgebunden ist, besteht ein Recht aus einem dreistelligen Relationsprädikat mit variablen Komponenten: 1. dem Subjekt oder Inhaber, 2. den Adressaten und 3. dem Inhalt oder Gegenstand des Rechts. Wie diese drei Komponenten ausgefüllt werden, ist nicht in einer vorpositiven apriorischen Natur- oder Vernunftordnung objektiv vorgegeben. In einer säkularen Konzeption kann dies vielmehr nur semikognitiv in einer moderaten Intersubjektivierbarkeit durch Austausch von Argumenten erarbeitet werden. Tierrechte bedeutet dezidiert nicht nur die starke Form des Rechtes auf Leben, sondern insbesondere ein gesicherter Anspruch auf relevante Berücksichtigung in Normenkonflikten, wie zum Beispiel Schmerz-/Leidvermeidung bei Tierversuchen usw.

Die Position eines Teils der Tierrechtsbewegung, generell jede Art der Tiernutzung abzulehnen, ist auch innerhalb der Tierrechtsbewegung umstritten. Während Einigkeit besteht, Tierversuche und Tierquälerei sowie die Jagd zum Vergnügen (im Gegensatz zum Nahrungserwerb) abzuschaffen, wird die Zurschaustellung von (Wild)Tieren (Zoo, Zirkus) unterschiedlich bewertet. Auch in der Frage der Haustierhaltung ist die Position nicht einheitlich: Während die Haltung erkenntnis- und leidensfähiger Tiere als Nahrung abgelehnt wird, sehen manche Tierrechtler keine Probleme in einer Nutzung von Tieren als Blindenhunde, Zug- und Reittiere oder zu therapeutischen Zwecken.

Kritik von Norbert Brieskorn

Der Rechtsphilosoph und Jesuit Norbert Brieskorn hat festgehalten, wer höher entwickelten Tieren subjektive Rechte zugestehen will, müsse darauf antworten,

  1. ob Rechte Wesen zuerkannt werden sollen, die im Gegensatz zum Menschenkind nie von ihnen selbst Gebrauch machen können;
  2. worin das Plus der Zuerkennung von Rechten an Tiere gegenüber jenen ethischen Verpflichtungen läge, welche den Menschen gegenüber den Tieren ohnehin schon durch ethische Reflexion auferlegt sind;
  3. ob es sich um die Ausdehnung von Menschenrechten auf Tiere oder um spezifische Tierrechte handeln soll;
  4. wie der jeweilige Vorrang zwischen Menschen- und Tierrechten zu ermitteln ist;
  5. worauf die Legitimität jener beruht, welche die Tierrechte im Namen der Tiere geltend machen.

Kritik an der Rechtssynthese über Charakteristika

John Touhey und Terence Ma kritisieren hauptsächlich anhand von Peter Singers Position, ein Fehler in der Tierrechtsphilosophie sei es, diese anhand von angeblich moralisch relevanter Charakteristika vorzuschlagen. Weder Singers „Leidenskriterium“ noch etwa Regans „Bewusstseinskriterium“ könnten zu einem Moralbegriff hinreichen. Diese Begriffe seien unzureichend, die „Natur eines Wesens zu erfassen“. Auch wenn es sich etwa beim Leidbegriff bei Menschen und Nichtmenschen um dasselbe Charakteristikum handele, so gebe es doch phänomenologische Unterschiede, die sich aus der unterschiedlichen Natur der Wesen ergeben.

Sie greifen die empirische Grundlage von Singers Thesen an, indem sie anmerken, dass es nicht erwiesen sei, inwiefern ein Leidbegriff im Gegensatz etwa zum Begriff der Schmerzen, bei nichtmenschlichen Tieren Anwendung finden könnte. Zu dem Begriff des Leidens bedürfe es zwar einerseits der Schmerzen, andererseits sei aber auch das Verstehen eines kontextuellen Zusammenhangs, also einem Beimessen von Bedeutung oder Zweckmäßigkeit derselben notwendig.

Auf das Argument Singers, dass sich gewisse Praktiken an nichtmenschlichen Tieren aus ethischen Gründen verbieten, weil sie auch bei, so die Autoren „grundlegend zurückgebliebenen“ Menschen oder Kindern, falsch wären, antworten sie mit der scholastischen Unterscheidung zwischen Privation und Deprivation, etwa wie in einem Schriftstück von Basileus folgend: Auch wenn einige Menschen die Fähigkeit zum intelligenten Handeln nicht haben, seien nichtsdestotrotz alle Menschen ob ihrer Natur eben dazu veranlagt. Diese Natur würden einerseits auch solche Menschen teilen, die diese Fähigkeiten nicht hätten und könnten andererseits auch solche nichtmenschlichen Tiere nicht aufweisen, die entsprechende Fähigkeiten hätten.[6]

Bernd Ladwig kritisiert, dass ein solcher Menschenrechtsbegriff, den er aus dem Kontext der Nikomachischen Ethik und der Begrifflichkeit des menschlichen Ergons heraus betrachtet, keine egalitären Rechte begründen könne. Aus einer theoretischen Perspektive sei zudem nicht ersichtlich, wie ein naturalistischer Menschbegriff bei der Begründung von Menschenrechten eine kontextuelle Erheblichkeit habe.[7]

Praxis

Hauptartikel Tierbefreiungsbewegung

In der politischen Willensbildung treten einige Anhänger des Veganismus mit konfrontativen Kampagnen auf. Man will dabei theoretisch Kulturen, die Achtlosigkeit gegenüber nichtmenschlichen Tieren beinhalten, durch sukzessive Verschiebung in der Gesetzgebung oder wirtschaftlich-gesellschaftlichen Praxis abschaffen. In dem österreichischen Tierschutzgesetz (2005) der deutschen Grundgesetzänderung (2002) und in England im Abwerben mehrer Geldinstitute von Huntingdon Life Sciences sieht man einige Erfolge. Zentrale Organisationen sind PETA (international), SHAC (England und Irland) und der österreichische Verein gegen Tierfabriken. Die Animal Liberation Front (international) wird teilweise als Fremdbezeichnung dazu gezählt; ihr Begriff als „Organisation“ ist aber umstritten.

Theoretisch schließen dabei alle Autoren Aktionen, die direkte Gefährdung von menschlichen und nicht-menschlichen Tieren beinhalten, aus. Im deutschsprachigen Raum ist auch kein Fall bekannt, der dieses Prinzip verletzt hätte. In den USA und England gab es Anschläge auf Personen, in Holland einen Mord, jeweils von Einzelpersonen, von denen sich die Verbände distanzierten.

Innerhalb dieses Spannungsfeldes gibt es viele Ansätze, die dem Veganismus Militanz und Radikalität unterstellen. Das FBI und das Department of Homeland Security sieht in der Tierrechtsbewegung eine Gefahr für die innere Sicherheit der Vereinigten Staaten, aufgrund von Eco-Terrorism.[8] Einige Autoren gehen davon aus, dass die Gesetzgebung zur inneren Sicherheit in vielen westlichen Staaten motiviert war, die Handlungsmöglichkeiten des Veganismus einzuschränken.[9]

Die Diskussion, inwiefern an eine vorgeblich speziesistische Gesellschaft pragmatische Zugeständnisse gemacht werden sollten, fasst man unter dem Begriff der Abolitionismusdebatte zusammen.

Einige argumentieren damit, dass Verbesserungen im Tierschutz und Vegetarismus nicht nur wesentlich leichter erreichbar wären als ein Verständnis für die Argumentation von Tierrechtlern, sondern dass das öffentliche Problembewusstsein gemeinsam mit Tierschutzbestimmungen wachse. Andere kritisieren hingegen, dass dadurch die Möglichkeit der Vermittlung eines als gerecht empfundenen Umgangs mit Tieren marginalisiert werde. Leid werde so eher von einer Ausprägung auf andere verlagert als abgeschafft. Das Paradigma der Fremdbestimmung tierlichen Lebens durch menschliche Interessen bliebe unberührt beziehungsweise würde sogar bestärkt.

Holocaustvergleich

Einige Autoren und Gruppen stellen zwischen dem heutigen Umgang mit Tieren und dem Holocaust eine Analogie her, so tat dies etwa People for the Ethical Treatment of Animals im Jahr 2003 mit einem Vergleich von Massentierhaltung und Holocaust. In der umstrittenen Ausstellung „Holocaust On Your Plate“ (deutsch: „Holocaust auf Ihrem Teller“), die nach den USA auch 2004 in Deutschland gezeigt wurde, werden Bilder von Juden in Konzentrationslagern denen von getöteten und misshandelten Tieren gegenüber gestellt. Die vergleichende Darstellung wurde in der Öffentlichkeit sehr kontrovers aufgenommen, führte zu erheblichen Protesten und Unterlassungsklagen von Menschenrechtsorganisationen wie der Anti-Defamation League und Opfergruppen.

Literatur

Übersichten, Literaturverzeichnisse und Historische Ansätze
  • H. Kean: Animal rights: Political and social change in Britain since 1800. Reaktion Books, 1998.
  • C. R Magel: Keyguide to information sources in animal rights. Mansell, 1989.
  • D. DeGrazia: Animal Ethics Around the Turn of the Twenty-First Century. In: Journal of Agricultural and Environmental Ethics. 11. Jahrgang, Nr. 2, 1. Mai 1998, S. 111–129, doi:10.1023/A:1009504617295 (doi.org [abgerufen am 17. März 2010]).
  • A. Taylor: Animals and ethics: an overview of the philosophical debate. broadview press, 2003.
Monographien
  • Peter Singer: Animal Liberation. Reprint Auflage. Ecco, 2001, ISBN 0-06-001157-2.
    • Peter Singer: In defense of animals. Blackwell, 1991.
    • Peter Singer: Praktische Ethik. 2., rev. u. erw. Auflage. Reclam, Ditzingen, 1994, ISBN 3-15-008033-9.
  • M. Rowlands: Animals like us. Verso Books, 2002.
  • M. Rowlands, J. Campling: Animal rights: a philosophical defence. Macmillan, 1998.
  • Tom Regan: The Case for Animal Rights. Reprint Auflage. University of California Press, 1985, ISBN 0-520-05460-1.
    • C. Cohen, T. Regan: The animal rights debate. Rowman & Littlefield, 2001.
  • Steven M. Wise, Jane Goodall: Rattling the cage. Perseus Books, 2001, ISBN 0-7382-0437-4.
  • G. L Francione: Rain without thunder: The ideology of the animal rights movement. Temple Univ Pr, 1996, ISBN 1-56639-461-9.
    • G. L Francione: Introduction to animal rights: your child or the dog? Temple Univ Pr, 2000, ISBN 1-56639-692-1.
  • R. Garner: Animals, politics, and morality. Manchester Univ Pr, 2004.
  • R. Garner: The political theory of animal rights. Manchester Univ Pr, 2005.
  • D. Sztybel, E. English: Empathy and rationality in ethics. 2000 (scientificcommons.org).
  • David DeGrazia: Animal Rights: A Very Short Introduction. 1st Auflage. Oxford University Press, USA, 2002, ISBN 0-19-285360-0.
  • C. R Sunstein, M. C Nussbaum: Animal rights: current debates and new directions. Oxford University Press, USA, 2005.
  • J. H Franklin: Animal rights and moral philosophy. Columbia Univ Pr, 2005.
  • S. J Armstrong, R. G Botzler: The animal ethics reader. Routledge, 2003.
Zum kontraktualistischen Ansatz
  • M. Rowlands: Contractarianism and animal rights. In: Journal of Applied Philosophy. 14. Jahrgang, Nr. 3, 2002, S. 235–247.
  • M. C Nussbaum: Animal Rights: The Need for a Theoretical Basis. In: Harvard Law Review. 2001, S. 1506–1549.
  • M. C Nussbaum: Beyond ‘compassion and humanity’: Justice for nonhuman animals. In: Animal rights: Current debates and new directions. 2004, S. 299–320.
  • Daniel Loewe: Inclusión de Animales No-humanos en un Marco de Argumentación Contractual. In: Veritas-Revista do Programa de Pós-Graduaç\ ao em Filosofia da PUCRS, Porto Alegre. 53. Jahrgang, Nr. 1, 2008, S. 145–162 (pucrs.br).
  • Sonja T. Felipe: Rawl’s Legacy: A Limited Possibility of a Non-speciecist Environmental Justice. In: Revista Ethic@, Florianópolis UFSC. 4. Jahrgang, Nr. 1, 2005, ISSN 1677-2954, S. 23–37 (doaj.org).
Deutschsprachiges
  • Jean-Claude Wolf: Tierethik. 2., durchges. Auflage. Fischer (Harald), Erlangen, 2005, ISBN 3-89131-415-9.
  • Ursula Wolf: Texte zur Tierethik. Reclam jun. , Philipp, Verlag GmbH, 2008, ISBN 3-15-018535-1.
  • I. A. T. Heidelberg: Tierrechte. 1. Auflage. Harald Fischer Verlag, 2007, ISBN 3-89131-417-5.
  • Johann S. Ach: Warum man Lassie nicht quälen darf. Tierversuche und moralischer Individualismus. Harald Fischer Verlag, 1999, ISBN 3-89131-119-2.
  • Bernd Ladwig: Das Recht auf Leben ? nicht nur für Personen. In: Deutsche Zeitschrift für Philosophie. 55. Jahrgang, Nr. 1, 2007, ISSN 0012-1045, S. 17–39, doi:10.1524/dzph.2007.55.1.17 (atypon-link.com [abgerufen am 22. März 2010]).
  • Helmut F. Kaplan: Tierrechte. Die Philosophie einer Befreiungsbewegung. Echo-Verlag, 1999, ISBN 3-926914-35-1.

Weblinks

Weblinks

Linkkatalog zum Thema Tierrechte bei curlie.org (ehemals DMOZ)

Fußnoten

Anmerkungen
  1. In der Tierethik wird der Begriff „nichtmenschlich“ verwendet, um genauer zu spezifizieren, dass alle Tiere außer dem Menschen gemeint sind. Die Verwendung des Wortes „Tier“ widerspricht in der Tierethik der umgangssprachlichen Bedeutung, die Menschen nicht in diese Gruppe einschließt.
  2. Eine Tierbefreiungsbewegung gab es zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Buches praktisch nicht. Die Forderung nach der Befreiung der Tiere ist nach Singer als Metapher zu verstehen. Er fordert eine strikte Gewaltfreiheit (Vgl. Vorwort der 1990er Ausgabe und P. Singer: Democracy and Disobiedence, 1974, Oxford University Press)
  3. Gleichheit versteht Singer nicht als deskriptive Gleichheit von Zuständen, sondern als präskriptive Norm zur gegenseitigen Behandlung. Formuliert ist es bei ihm als eine ethische „Pflicht der vergleichbaren Berücksichtigung vergleichbarer Interessen“.
  4. Daniel Loewe: Inclusión de animales no-humanos en un marco de argumentación teórico contractual, dort diskutiert die Frage, unter welchen (gegebenenfalls zusätzlichen) Voraussetzungen eine Tierrechtstheorie aus einem kontraktualistischen Modell heraus gefolgert werden kann.
Einzelnachweise
  1. Singer, Animal Liberation (Harper Collins Publishers 2002): S. 5-9 (Englisch), deutsch: Die Befreiung der Tiere, Hirthammer, München 1976.
  2. Kritik am Pathozentrismus, Martin Balluch 2007.
    • Vgl auch Martha C. Nussbaum: (2006) , Belknap Harvard, Frontiers of Justice – Disability, Nationality, Species Membership; Darin argumentiert sie,
  3. Einfache Ethik
  4. http://www.tierrechte-kaplan.org/kompendium/index.html
  5. Singer, Tierrechte und Utilitarismus
  6. John Tuohey, Terence P. Ma: Fifteen years after “Animal Liberation”: Has the animal rights movement achieved philosophical legitimacy? In: Journal of Medical Humanities. 13. Jahrgang, Nr. 2, 1. Juni 1992, S. 79–89, doi:10.1007/BF01149650.
  7. Bernd Ladwig: Menschenrechte und menschliche Natur. In: Leviathan. 35. Jahrgang, Nr. 1, 1. März 2007, S. 85–106, doi:10.1007/s11578-007-0007-5.
  8. FBI Bericht von 2002
    [1]
  9. B. Steven: Terrorists or Freedom Fighters?, 2004, Lantern Books. ISBN 1-59056-054-X

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