Tatra T-Reihe
Tatra ist der Name eines Straßenbahn-, Eisenbahnwaggon- und Automobil-Herstellers aus Prag. Zur Zeit des Sozialismus in Osteuropa versorgte er im Rahmen des RGW-Abkommens den Ostblock mit Straßenbahnwagen, darunter die DDR, die Sowjetunion, Ungarn, Rumänien und Jugoslawien.
Geschichte
Der Anfang
Die Geschichte des Unternehmens begann im Jahre 1769, als der junge Kupferschmiedgeselle Franz Ringhoffer aus dem Müllendorf bei Eisenstadt nach Prag kam und sich in der Altstadt eine Werkstatt einrichtete, wo er Braupfannen und Gefäße für Brauereien herstellte. Sein 1785 geborener Sohn Joseph erwarb 1822 in Kamenice im Süden von Prag eine Wassermühle, die er zu einem Kupferhammerwerk umbaute und die später durch ein Kupfer-Walzwerk erweitert wurde. 1832 wurde er von Kaiser Franz I. zum K&k Hof-Kupferschmiedemeister ernannt. Er erhielt die Fabrikationsbefugnis zur Erzeugung von Kupfer- und Messingwaren. Aus der handwerksmäßigen Produktionsstätte, die sein Vater gegründet hatte, machte er eine Manufaktur mit rund siebzig Beschäftigten. Der Betrieb produziert Arbeitseinrichtungen für Bierbrauereien, Spirituosenbrennereien und Zuckerfabriken in allen Teilen der Monarchie.
Ringhoffers Waggonfabrik
Josefs ältester Sohn Franz Ringhoffer II. errichtete einen größeren Betrieb in der Prager Neustadt und baute 1852 eine Fabrik (Ringhoffers Waggonfabrik) im südwestlichen Vorort Smíchov, wo er 1854 mit der Fertigung von Eisenbahnwagen begann, zunächst Güter-, ab 1860 auch Personenwagen. Da es damals die über Smíchov führende Südbahn noch nicht gab, mussten die Waggons durch die Stadtmitte zum 4 km entfernten Kopfbahnhof Prag (heute Masarykovo nádraží, Masaryk-Bahnhof) per Fuhrwerk gebracht werden. 1867 wurde die Fabrik um eine neue Halle und einige Nebenbetriebe erweitert und es wurde mit dem Bau von Salonwagen begonnen (bekannt wurde später der Salonwaggon für Kaiser Franz Joseph I. von 1902), der heute im Technischen Nationalmuseum in Prag ausgestellt ist. Das Unternehmen begann zu exportieren. Ringhoffer wurde Bürgermeister von Smíchov, wo er eine moderne Siedlung baute. Unweit von Prag begann er die Brauerei Kozel zu bauen. Vom Kaiser wurde er in den erblichen Freiherrnstand erhoben.
Nach seinem Tod 1873 übernahm sein Sohn Franz III. Freiherr von Ringhoffer mit den Brüdern Emanuel und Viktor das Unternehmen. Unter seiner Führung wuchs die Firma zu einem der größten Unternehmen in Österreich-Ungarn. Gebaut wurden nicht nur Schienenfahrzeuge aller Art, Elektrolokomotiven, Triebwagen, Tender für Dampflokomotiven und Straßenbahnen, sondern weiter auch Produktionseinrichtungen für Zuckerfabriken, Brennereien, Brauereien und Kühlanlagen für Kühlhäuser.
Ringhoffer-Tatra
1909 übernahm sein Sohn Franz Ringhoffer IV. das Unternehmen, das er 1911 in eine Aktiengesellschaft umwandelte. 1923 erfolgte die Fusion mit der Firma Tatra in Kopřivnice, die außer Kraftfahrzeugen auch Schienenfahrzeuge baute (von nun an hieß das Unternehmen Ringhoffer-Tatra) und danach die Übernahme aller übrigen Waggonhersteller im Lande. Nach seinem Tod 1940 übernahm sein jüngerer Bruder Hans, der bereits NSDAP-Mitglied war, die Führung des Konzerns und arbeitete eng mit Albert Speer zusammen für das Dritte Reich. Jetzt wurden auch gepanzerte Schienenfahrzeuge gebaut. Er starb am 31. Dezember 1946 im Internierungslager Mühlberg an der Elbe. Die Familie wurde nach Österreich abgeschoben.
Verstaatlichung
Gleich im Jahre 1945 wurde der Konzern verstaatlicht. Das Tatra-Werk in Kopřivnice wurde abgetrennt und das Werk Prag-Smíchov spezialisierte sich unter dem Namen Vagonka Tatra n.p. (= Waggonwerk Tatra VEB) auf die Fertigung von Straßenbahnwagen. Berühmtheit erlangte vor allem das Prager Tatra-Werk Smíchov, das zusammen mit der Firma ČKD Prag (elektrische Ausrüstung) zum größten Hersteller von Straßenbahnwagen der Welt wurde. Mitte der 1980er war das Werk überaltert und zu klein, und der Bau eines neuen Werks im westlichem Prager Vorort Zličín wurde beschlossen.
Zeit nach 1990
Als dieses neue Werk 1996 fertig wurde, war der Absatzmarkt in Osteuropa bereits zusammengebrochen. Das Werk Smíchov wurde abgerissen, die Fassade des Hauptgebäudes in ein neu erbautes Einkaufszentrum integriert. Zwischenzeitlich wurde Tatra von Siemens übernommen. Trotz der Übernahme, voller Auftragsbücher und guter Absätze wurde Konkurs angemeldet.
Tatra-Trieb- und Beiwagen fahren unter anderem heute noch in Berlin, Chemnitz, Cottbus, Erfurt, Gera, Frankfurt (Oder), Gotha, Görlitz, Halle (Saale), Leipzig, Magdeburg, Plauen, Potsdam, Rostock, Zwickau aber vor allem in Prag, Brünn, Bratislava und anderen osteuropäischen Städten. Die häufigsten Varianten in ostdeutschen Städten stellen die Typen T3D, T4D, KT4D und T6A2D sowie deren modernisierte Formen − teilweise auch mit Niederflur-Mittelteilen − dar. In Strausberg kommen inzwischen auch Wagen vom Typ KT8D5 zum Einsatz, wie auch der Prototyp des T6C5. Der erste Straßenbahnwagen nach dem Muster des PCC-Wagens wurde als T1 1951 gefertigt.
Inzwischen werden die Tatra-Straßenbahnen von der 2001 gegründeten Aliance TW weiterentwickelt, bestehend aus dem zur Produktionsstätte gemauserten alten Eisenbahnreparaturwerk Krnovské opravny a strojírny s.r.o. (KOS) in Krnov (Jägerndorf) und dem Prager Konstruktionsbüro VKV Praha s.r.o. und der Prager Vermarktungsgesellschaft Pragoimex a.s..
Baureihen
-
Der Ur-Tatra T1
-
Tatra T2
-
Tatra T3
-
Tatra T4D + B4D
-
T5C5 in Budapest
-
Tatra T6B5
-
Tatra T6A2
-
Tatra T6A5
-
Tatra T7B5
-
Tatra T6C5
-
Tatra K2
-
TaTra KT4D
-
Tatra KT8D5
-
Tatra RT6N1
-
Tatra RT8D5
Typen- bezeichnung |
Baujahr | Länder, in die die Wagen ausgeliefert wurden | Anzahl |
---|---|---|---|
T1 | 1952−1958 | Tschechoslowakei, Polen, Sowjetunion | 287 |
T2 | 1955−1962 | Tschechoslowakei, Sowjetunion | 771 |
T3 | 1960−1989 | Tschechoslowakei, Sowjetunion, DDR, Rumänien, Jugoslawien | 13991 |
T4 | 1967−1986 | Sowjetunion, DDR, Rumänien, Jugoslawien | 2635 |
T5A5 | je 1972 und 1981 | Prototyp | 2 |
T5B6 | 1976 | Prototyp | 2 |
T5C5 | 1980−1984 | Ungarn | 322 |
T6B5 | 1985−2000 | Bulgarien, Nordkorea, Sowjetunion | 1203 |
T6A2 | 1985−1999 | Bulgarien, DDR, Ungarn | 256 |
T6A5 | 1992−1997 | Tschechoslowakei | 260 |
T7B5 | 1988−1993 | Tschechoslowakei | 8 |
T6C5 | 1998 | USA, später Deutschland | 1 |
K1 | je 1964 und 1965 | Prototyp | 2 |
K2 | 1966−1983 | Tschechoslowakei, Sowjetunion, Jugoslawien | 567 |
K5AR | 1970−1973 | Ägypten | 200 |
KT4 | 1974−1990 und 1997 | Sowjetunion, DDR, Jugoslawien, Nordkorea | 1767 |
KT8D5 | 1986−1999 | Tschechoslowakei, Nordkorea*, Sowjetunion | 205 |
RT6N1 | 1993−1997 | Tschechien, Polen | 19 |
RT6S | 1997 | Tschechien | 1 |
RT8D5 / RT8M | 1997−1999 | Philippinen | 73 |
Typenbezeichnung
Die vielen verschiedenen Wagentypen, die von Tatra gebaut wurden, erhielten ein gemeinsames Kennzeichnungsschema, welches im Laufe der Jahre modifiziert und ergänzt wurde. Aus dieser Ziffern-/Buchstaben-Kombination lassen sich die technischen Hauptdaten ableiten.
Fahrzeugart:
T = Triebwagen
B = Beiwagen
K / KT / RT = Gelenkzug
Die darauffolgende Ziffer gibt die Entwicklungsreihe an (Bei Gelenkwagen "RT" und "KT" die Achszahl)
Das nächste Zeichen fand ab T5 bzw. KT8 Verwendung:
A = Einrichtungswagen mit 6,7 m Drehzapfenabstand
B = Einrichtungswagen mit 7,5 m Drehzapfenabstand
C = Zweirichtungswagen mit 6,7 m Drehzapfenabstand
D = Zweirichtungswagen mit 7,5 m Drehzapfenabstand
Die folgende Ziffer (ab T5 / KT8) bezieht sich auf die Wagenkastenbreite:
2 = 2,2 m
5 = 2,5 m
6 = 2,6 m
Ab T2 bzw. K2 wurde die Typenbezeichnung durch weitere Großbuchstaben ergänzt, die das Einsatzland angaben (z.B. "H" = Ungarn, "SU" = Sowjetunion, "D" = DDR, "YU" = Jugoslawien).
Ein angehängtes (kleines) "t" gibt an, dass das Fahrzeug mit Thyristorsteuerung ausgerüstet wurde.
Siehe auch: Tatra (Begriffsklärung)