Erntefaktor

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Der Erntefaktor eines Kraftwerks beschreibt das Verhältnis der Nutzenergie (Elektrizität, seltener auch Nutzwärme) zu der im Anlagenlebenszyklus aufgewandten Energie („Graue Energie“). Er beantwortet also die Frage: „Wie oft bekommt man die hineingesteckte Energie wieder heraus?“ Werte über Eins bedeuten dabei eine positive Gesamtenergiebilanz.

Ermittlung des Erntefaktors

Teilweise wird für fossile Kraftwerke definitionsgemäß neben dem energetischen Aufwand für die Errichtung und Betrieb des Kraftwerks auch der eingesetzte Brennstoff mit in die Rechnung einbezogen, da dieser zur Stromerzeugung unwiderruflich verbrannt wird. Dadurch haben fossile Kraftwerke immer einen Erntefaktor kleiner Eins. Erneuerbare Energien können als einzige Kraftwerkstypen Erntefaktoren größer Eins haben, da deren Energiequellen wie etwa Wind, Wasser oder Sonne nach menschlichem Ermessen nicht endlich sind bzw. sich bei nachhaltiger Nutzung (etwa von Waldbeständen) regenerieren. Ein Vergleich zwischen fossilen und nicht-fossilen Kraftwerken ist aber nach dieser Definition jedoch nicht mehr möglich, da sie für beide Kraftwerkstypen unterschiedlich ist.

Normalerweise wird in der Fachliteratur[1] der Brennstoff bei der Berechnung des Erntefaktors nicht berücksichtigt und nur die zu Bau und Wartung benötigte Energie mit der produzierten Energie verglichen. Dadurch können verschiedene Anlagenformen unabhängig vom Brennstoff, ob nuklear oder solar, miteinander verglichen werden.

Der Erntefaktor mit Berücksichtigung des Brennstoffeinsatzes ergibt sich für fossile Kraftwerke über eine lange Anlagenbetriebsdauer (20 Jahre und länger) näherungsweise aus dem Anlagenwirkungsgrad, da der Energieaufwand zum Bau und Rückbau der Anlage im Verhältnis zu der über die gesamte Dauer insgesamt umgesetzten sehr großen Energiemenge (Brennstoff) sehr klein wird. Die Berechnung der gesamten zur Herstellung eines Produktes benötigten Energie ist im Allgemeinen sehr komplex. Je nach Quelle und gegebenenfalls der Interessenslage des Autors können so auch die angegebenen Erntefaktoren stark schwanken. Auch die Dauer der angenommenen Anlagenlebenszeit hat Einfluss auf die Höhe des Erntefaktors und sollte daher mit angegeben werden.

Energetische Amortisationszeit

Die Energetische Amortisationszeit hängt eng mit dem Begriff Erntefaktor zusammen. Bekannt ist sie auch unter den Begriffen Energierücklaufzeit oder einfach nur energetische Amortisation.

Die Energetische Amortisationszeit beschreibt die Zeit, die eine Energiegewinnungsanlage betrieben werden muss, bis die für die Herstellung aufgewendete Energie wieder gewonnen worden ist, also wenn der Erntefaktor gleich Eins ist. Anlagen, die mit erneuerbaren Energien betrieben werden, haben energetische Amortisationszeiten von einigen Monaten oder Jahren.

Photovoltaikanlagen

Für die Herstellung, den Transport, die Wartung etc. wird Energie benötigt – unter anderem in Form von elektrischem Strom und Wärme. Diese kann man berechnen – zum Beispiel anhand der Stromrechnung der involvierten Fabriken, des Kraftstoffverbrauchs der LKW etc. Wenn die Anlage fertig gebaut ist, produziert sie Strom. Der Erntefaktor gibt nun an, wie viel mehr (elektrische) Energie die Anlage im Laufe ihres Lebens produziert als insgesamt Energie für ihre Herstellung sowie Auf- und Abbau am Lebensende benötigt wird.

Die Energetische Amortisationszeit von Photovoltaikanlagen hängt im Wesentlichen von folgenden Faktoren ab:

1. Wirkungsgrad einer Photovoltaikzelle
2. Energetischer Aufwand für die Herstellung einer einzelnen Photovoltaikzelle und für die Herstellung des dafür benötigten Siliziums
3. Energetischer Aufwand für die Herstellung eines Moduls (Rahmen, Glas) aus mehreren Photovoltaikzellen
4. Energetischer Aufwand für den Transport (Rohstoffe zur Produktionsstätte sowie Modul bzw. Anlagenteile zum jeweiligen Einsatzort)
5. Energetischer Aufwand für den Installation einer Photovoltaik-Anlage aus mehreren Modulen etwa auf Dächern
6. Elektrische Einbindung der Photovoltaik-Anlage in ein Stromnetz inklusive Wechselrichter
7. Energetischer Aufwand für den Abbau einer Photovoltaik-Anlage aus mehreren Modulen etwa auf Dächern
8. Energetischer Aufwand für Entsorgung oder Recycling in wiederverwendbare Ausgangsstoffe

Für südeuropäische Standorte liegt die Energierücklaufzeit (2011) zwischen 0,8 bis 1,5 Jahren für Dünnschichttechnologien und etwa 1,7 Jahren für Anlagen auf Basis mono- und multikristalliner Solarzellen[2]

Windkraftanlagen

In der öffentlichen Diskussion um die Nutzung der Windenergie ist oft die Energetische Amortisationszeit von Windkraftanlagen ein Streitthema zwischen Befürwortern („nur wenige Monate“) und Gegnern („keine energetische Amortisation“). Während erste Untersuchungen aus der Pionierzeit der Windenergienutzung (1970er und frühe 1980er Jahre), beruhend auf unausgereiften Testanlagen, durchaus den Schluss zuließen, dass eine energetische Amortisation kaum möglich ist, belegen zahlreiche Studien seit Ende der 1980er Jahre, dass sich die heutigen, ausgereiften Serienanlagen in wenigen Monaten energetisch amortisieren.

Bei den Ergebnissen der verschiedenen Untersuchungen gibt es allerdings gewisse Unterschiede. Dies hängt zum einen mit den stark unterschiedlichen, standortabhängigen Energieerträgen von Windkraftanlagen zusammen, zum anderen mit dem betrachteten Lebenszyklus. Zudem unterscheiden sich oft auch die Bilanzierungsmethoden. Teilweise wird nur die Herstellung der Anlage betrachtet (alte Untersuchungen), teilweise der Energieaufwand für Transport, Wartung über die Lebenszeit und Rückbau mit hinzugerechnet (neuere Untersuchungen). Hybride Analysen auf Basis von Prozessdaten und eines Input-Output-Ansatzes erfassen zudem auch die energetische Investition in den Maschinenpark beim Hersteller und den Zuliefern. Dabei ergibt sich eine energetische Amortisationszeit von weniger als einem Jahr.[3]

Energetische Amortisationszeiten von Windkraftanlagen
Typ Offshore Küste Küstennah Binnenland
Windkraftanlage Enercon E-66
1500 kW, 66 m Rotordurchmesser
Mischanalyse Herstellung, Auf- und Abbau, Wartung[4]
2,1 Monate 2,5 Monate 4,3 Monate
Windkraftanlage Enercon E-82 E2
2300 kW, 82 m Rotordurchmesser, 97m Betonturm
voller Lebenszyklus[5]
4,7 Monate 5,9 Monate 6,8 Monate
Offshore-Windkraftanlage
5 MW auf Tripod-Fundament
Erfassung gesamter Lebensweg, ohne Netzanbindung[6]
4 Monate
Offshore-Windpark 2010
200 MW (40 × 5 MW)
Erfassung gesamter Lebensweg, inkl. Netzanbindung[6]
5 Monate

Siehe auch

Weblinks

Einzelnachweise

  1. B. Diekmann, K. Heinloth: Energie. 2. Auflage. Teubner, Stuttgart 1997, ISBN 3-519-13057-2.
  2. Mariska de Wold-Scholten: Environmental profile of PV mass production: globalization. 2011.
  3. R. H. Crawford: Life-cycle energy analysis of wind turbines – an assessment of the effect of size on energy yield. Faculty of Architecture, Building and Planning, Universität Melbourne. (PDF-Datei, 187 kB)
  4. E. Pick, Hermann-Josef Wagner: Beitrag zum kumulierten Energieaufwand ausgewählter Windenergiekonverter. Arbeitsbericht des Instituts für ökologisch verträgliche Energiewirtschaft, Universität Essen, 1998.
  5. Mehr Windkraft an Land rückt Ökologie ins Blickfeld. In: vdi Nachrichten. 2. September 2011. Abgerufen am 17. September 2011.
  6. a b Rodoula Tryfonidou, Hermann-Josef Wagner: Offshore-Windkraft – Technikauswahl und aggregierte Ergebnisdarstellung. (Kurzfassung, PDF-Datei, 109 kB) Lehrstuhl für Energiesysteme und Energiewirtschaft, Ruhr-Universität Bochum, 2004