Jürgen Rüttgers

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 22. Januar 2010 um 23:13 Uhr durch Gsälzbär (Diskussion | Beiträge) (→‎Politisches: –>Politik – passt das nicht besser? (Bei den anderen Landeschefs stehts auch ähnlich)). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Jürgen Rüttgers, 2009

Jürgen Rüttgers (* 26. Juni 1951 in Köln) ist ein deutscher Politiker (CDU). Er ist seit 2005 Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen und war von 1994 bis 1998 Bundesminister für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie.

Familie, Ausbildung und Beruf

Jürgen Rüttgers wurde als Sohn eines Elektromeisters geboren. Er ist verheiratet und hat drei Söhne. Die Familie wohnt in Pulheim.

Rüttgers besuchte die Richeza-Grundschule Brauweiler. Einen großen Teil seiner Freizeit verbrachte er als Mitglied der Deutschen Pfadfinderschaft St. Georg. 1961 wechselte er auf das Apostelgymnasium in Köln-Lindenthal. Nach dem Abitur 1969 begann Rüttgers ein Studium der Rechtswissenschaft und der Geschichte, welches er 1975 mit dem ersten und 1978 mit dem zweiten juristischen Staatsexamen beendete. Er ist Mitglied der Studentenverbindung K.D.St.V. Rappoltstein (Straßburg) Köln im CV. 1979 wurde er an der Universität zu Köln mit einer Arbeit über das Verbot parteipolitischer Betätigung im Betrieb zum Dr. iur. promoviert. Von 1978 bis 1980 war er als Referent beim Städte- und Gemeindebund Nordrhein-Westfalen beschäftigt. Von 1980 bis 1987 war er Erster Beigeordneter der Stadt Pulheim für Stadtentwicklung, Finanzen und Umweltschutz. Rüttgers ist Kuratoriumsvorsitzender der Stiftung "Weiter sehen" in der Treuhandschaft der africa action / Deutschland (vormals ghana action). Diese Stiftung wurde 2002 von ihm mit gegründet und hat zum Hauptziel, Hilfe für augenkranke und behinderte Menschen in Afrika und die Ausbildung einheimischer Fachkräfte zur Vorsorge, Behandlung und Rehabilitation Hilfsbedürftiger zu fördern.[1]

Partei

Seit 1970 ist Rüttgers Mitglied der CDU. Von 1980 bis 1986 war er Landesvorsitzender der Jungen Union Rheinland. Seit 1981 ist er Mitglied im Landesvorstand der CDU Rheinland bzw. Nordrhein-Westfalen. 1985 wurde er zum Vorsitzenden des CDU-Kreisverbandes Erftkreis, heute Rhein-Erft-Kreis, gewählt, 1993 zum stellvertretenden Vorsitzenden der CDU Nordrhein-Westfalen. Nach dem Ausscheiden aus seinem Ministeramt und dem Rücktritt Norbert Blüms als Landesvorsitzender wählte ihn die CDU Nordrhein-Westfalen 1999 zu dessen Nachfolger. Seit 2000 ist er außerdem einer von vier stellvertretenden Bundesvorsitzenden der CDU.

Abgeordneter

Von 1975 bis 1980 war er Mitglied im Rat der Stadt Pulheim.

Von 1987 bis 2000 war Rüttgers Mitglied des Deutschen Bundestages. Hier wurde er sogleich Vorsitzender der Enquete-Kommission „Technikfolgenabschätzung und -bewertung“. Danach war er ab 1989 Parlamentarischer Geschäftsführer und von 1991 bis 1994 Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Nach der Bundestagswahl 1998 wurde er zum Stellvertretenden Vorsitzenden der CDU/CSU-Bundestagsfraktion gewählt. In dieser Funktion war er als Nachfolger von Rupert Scholz zuständig für die Politikfelder Innen- und Rechtspolitik. Rüttgers war zuletzt (14. Wahlperiode 1998) über die Landesliste Nordrhein-Westfalen in den Deutschen Bundestag eingezogen.

Seit 2000 ist er Mitglied des Landtages von Nordrhein-Westfalen und amtierte von 2000 bis 2005 als Vorsitzender der CDU-Landtagsfraktion. Anders als noch im Jahr 2000, als er über die Landesliste seiner Partei in den Landtag einzog, konnte er bei der Landtagswahl 2005 seinen Wahlkreis Rhein-Erft-Kreis I (Bedburg, Bergheim, Elsdorf und Pulheim) direkt gewinnen. Am 7. November 2009 wurde er von seiner Partei mit 95,2 % erneut als Landtagskandidat nominiert.[2]

Öffentliche Ämter

Rüttgers, der sich vorher schon in der Forschungspolitik engagiert hatte, wurde nach der Bundestagswahl 1994 am 17. November 1994 als Bundesminister für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie in die von Bundeskanzler Helmut Kohl geführte Bundesregierung berufen.

Das aus der Zusammenlegung des Bundesministeriums für Bildung und Wissenschaft und des Bundesministeriums für Forschung und Technologie neu geschaffene Amt sollte die Innovationsfreudigkeit der damaligen Bundesregierung präsentieren und wurde werblich als „Zukunftsministerium“ bezeichnet. Rüttgers bezeichnete damals die Bildungspolitik als Fortsetzung der Sozialpolitik im 21. Jahrhundert. In seine Amtszeit fällt unter anderem die Bafög-Reform von 1995. Das Meister-BAföG wurde eingeführt, Freibeträge und Bedarfssätze angehoben, der BAföG-Höchstsatz auf 1050 DM festgelegt. 1997 versuchte er zusammen mit den Bundesländern eine Reform des Hochschulrahmengesetzes, die unter anderem eine stärkere Evaluation von Forschung und Lehre, Neufestlegungen der Regelstudienzeit, die Einführung von Bachelor- und Master-Graden und pädagogische Eignungsprüfungen von Professoren vorsah. Diese scheiterte jedoch im Bundesrat.

Rüttgers brachte das umstrittene IuKDG (Informations- und Telekommunikationsdienstegesetz) auf den Weg, das unter anderem Bestimmungen zum Datenschutz, zum sicheren Zahlungsverkehr im Internet und zum Jugendschutz enthielt. Er positionierte sich als starker Befürworter der Biotechnologie und stellte in seinem Ministerium etwa 900 Millionen DM jährlich für den umstrittenen Forschungsbereich zur Verfügung.

Nach der verlorenen Bundestagswahl 1998 schied er am 26. Oktober 1998 aus der Regierung aus.

Bei der Landtagswahl 2000 trat Rüttgers als Spitzenkandidat der CDU für das Amt des Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen an, konnte aber keine Mehrheit erringen. Sein Wahlkampf war noch durch die Aufklärung der im Jahr zuvor bekannt gewordene CDU-Spendenaffäre belastet. Inwiefern weiterhin die so genannte Pofalla-Affäre eine Rolle spielte, ist bis heute ungeklärt. Kurz vor der Wahl waren staatsanwaltschaftliche Ermittlungen gegen den CDU-Bundestagsabgeordneten Ronald Pofalla, Mitglied des CDU-Schattenkabinetts, bekannt geworden, die sich später als unberechtigt erwiesen.

Nachdem die CDU als Sieger aus der Landtagswahl am 22. Mai 2005 hervorgegangen war und mit der FDP eine Koalitionsvereinbarung getroffen wurde, wurde Jürgen Rüttgers am 22. Juni 2005 zum Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen gewählt.

Zur Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen 2010 tritt Rüttgers erneut als Spitzenkandidat für die CDU an, muss laut Umfragen aber um die Bestätigung seiner schwarz-gelben Koalition bangen.

Politik

In der Landtagswahl 2000 löste Rüttgers kontroverse Diskussionen durch das in seinem Wahlkampf breit genutzte Schlagwort »Kinder statt Inder« aus, das die Präferenz der CDU zugunsten der Förderung von heranwachsenden Kindern statt zuwandernden Ausländern klarmachen sollte. Der Begriff „Inder“ erklärt sich daher, dass ausländische IT-Fachkräfte – beispielsweise die in der Presse vielzitierten Informatikexperten aus Indien – mittels der von der rot-grünen Bundesregierung eingeführten Greencard nach Deutschland eingeladen werden sollten.

Hintergrund war ein Interview (von der Nachrichtenagentur AP, veröffentlicht in der WAZ vom 8. März 2000), in dem er sagte: »Statt Inder an die Computer müssen unsere Kinder an die Computer«. Daraus wurde dann die griffige Schlagzeile »CDU-Politiker: Kinder statt Inder an die Computer«, die reduziert auf das Schlagwort »Kinder statt Inder« dann von den Republikanern im Landtagswahlkampf 2000 übernommen wurde.

Als Forschungsminister warb Rüttgers für mehr Akzeptanz von gentechnisch veränderten Lebensmitteln (Genfood) in der Bevölkerung, setzte sich aber auch für eine Kennzeichnungspflicht ein. 2001 sprach sich Rüttgers für die umstrittene Präimplantationsdiagnostik aus. Gleichzeitig engagierte er sich im Kampf gegen das Klonen von Menschen weltweit.

Europapolitisch ist Jürgen Rüttgers, wie auch seine Partei, gegen einen EU-Beitritt der Türkei und favorisiert stattdessen eine „privilegierte Partnerschaft“.

Im April 2005 wurde Rüttgers von verschiedenen Seiten wegen einer Äußerung zum katholischen Menschenbild kritisiert. In einem N24-Interview[3] hatte er auf die Frage von Michel Friedman: „Aber wir sprechen von dem Begriff 'überlegen'. Ist die katholische Kirche und ihr Menschenbild anderen Religionen überlegen?“ mit dem Satz geantwortet: „Ich glaube, dass es das Richtige ist, wenn Sie wollen auch 'überlegen'“.

Im Rahmen des Grundsatzkongresses 2006 der CDU äußerte Rüttgers, dass man nicht automatisch Arbeitsplätze schaffe, indem man die Steuern senke.[4] Rüttgers forderte von der CDU, sich von „neoliberalen Lebenslügen“ zu verabschieden, unter anderem von dem Glauben, dass weitere Steuererleichterungen für Unternehmen automatisch zu mehr Arbeitsplätzen führten.[4] Wegen dieser Äußerungen wurde Rüttgers von Parteifreunden kritisiert, aber auch unterstützt, beispielsweise von Heiner Geißler.[4] In seiner am 13. September 2007 veröffentlichten Streitschrift „Die Marktwirtschaft muss sozial bleiben“ erneuerte Rüttgers seine Thesen und kritisierte unter anderem die Zuwanderungspolitik der großen Koalition. [5]

Nach Äußerungen im August und September 2009 musste Rüttgers sich dem Vorwurf des Rassismus stellen. Er bezeichnete bei zwei Wahlkampfveranstaltungen[6] vor der Bundestagswahl 2009 rumänische Arbeitnehmer als faul und unzuverlässig. [7] Nach medialer Veröffentlichung von entsprechenden Redeausschnitten entschuldigte sich Rüttgers für seine Worte.[8]

Eine Überwachung der Oppositionsführerin Hannelore Kraft führte im September 2009 zu erneuten Vorwürfen. Erst wurde behauptet, dass die CDU-NRW Frau Kraft von einer professionellen Firma per Video überwachen lasse. Dann wurde bekannt, dass diese Überwachung aus der Staatskanzlei koordiniert wurde.[9]

In die Negativ-Schlagzeilen kam Rüttgers auch, indem sein Kabinett bestehende Gesetze anpasste – ganz im Interesse des Energiekonzerns E.ON. Dieser steckt beim Bau von Europas größtes Kohlekraftwerk in Datteln in gerichtlichen Auseinandersetzungen: das Oberverwaltungsgericht Münster erklärte den Bebauungsplan, der den Kraftwerksbau vorsah, für ungültig. Zusammen mit E.ON-Vorstand Bernotat hatte Rüttgers wenige Jahre zuvor den Grundstein gelegt. So wurde das Landesentwicklungsgesetz überarbeitet: Abschnitte wie der „Klimaschutzparagraf“ oder „Regionale Energiekonzepte“ wurden ersatzlos gestrichen, „Potentiale der kombinierten Strom- und Wärmeerzeugung“ sollten im neuen Landesentwicklungsplan nicht mehr „ausgeschöpft“, sondern nur noch „berücksichtigt“ werden. [10] Gegen diese Interessen geleiteten Gesetzesanpassungen organisierte die Organisation Campact Protestaktionen.[11]

Ehrungen und Auszeichnungen

Publikationen

  • Volker Kronenberg: Jürgen Rüttgers, Eine politische Biografie. OLZOG Verlag, 2009, ISBN 978-3-7892-8203-4
  • Jürgen Rüttgers: Worum es heute geht. Bastei Lübbe Verlag, 2005, ISBN 3404605578
  • Jürgen Rüttgers: Zeitenwende, Wendezeiten. Siedler Verlag, 1999, ISBN 3886806782
  • Siegfried Honert, Jürgen Rüttgers, Joachim Sanden: Landeswassergesetz Nordrhein-Westfalen. Deutscher Gemeindeverlag, 1996, ISBN 3555303775
  • Jürgen Rüttgers: Dinosaurier der Demokratie. Wege aus der Parteienkrise und Politikverdrossenheit. Hoffmann und Cie. Hamburg 1996, ISBN 3455084745
  • André Leysen, Jürgen Rüttgers: Wege aus der blockierten Gesellschaft – Perspektiven für die Gestaltung der Zukunft: 110. Gesprächskreis. Körber-Stiftung, ISBN 389684220X
  • Siegfried Honert und Jürgen Rüttgers: Landeswassergesetz Nordrhein-Westfalen. Kommentar. 1990, ISBN 3555302841
  • Jürgen Rüttgers: Europas Wege in den Weltraum. Umschau Verlag, 1989, ISBN 352469084X
  • Siegfried Honert und Jürgen Rüttgers: ABC der Abwasserabgabe. Dtsch. Gem.-Vlg., Köln 1983, ISBN 3555004875

Einzelnachweise

  1. Stiftung africa action/Deutschland
  2. Artikel Kölner Stadt Anzeiger vom 07.11.2009
  3. Auszug aus dem N24 Interview im Wortlaut
  4. a b c CDU-Spitze knöpft sich Rüttgers vor in: Spiegel-Online, 22. August 2006
  5. Stern: „Zuwanderung löst die Probleme nicht“
  6. http://de.news.yahoo.com/2/20090906/tts-ruettgers-nach-abfaelligen-aeusserun-c1b2fc3.html
  7. http://www.stuttgarter-nachrichten.de/stn/page/detail.php/2188526
  8. wdr.de: Weitere Vorwürfe gegen Rüttgers (6. September 2009)
  9. Brisanter E-Mail-Austausch bringt Rüttgers in Bredouille (24. September 2009)
  10. Kohlestrom – Ein Gesetz für e.on, Plusminus am 19. Januar 2010
    Bericht auf YouTube
  11. Klimaschutz: Global fordern, lokal streichen?! Keine Lex E.on, 5-Minuten-Info der Organisation Campact
  12. http://www.ruhrnachrichten.de/nachrichten/nrw/nordrheinwestfalen/art5192,373608
  13. http://www.malteser.de/1.08.Aktuelles/1.08.01.Presse_Center/1.08.01.01Presseinfos/presse2000.asp?Anzeige=Yes&Index1=1351
  14. Aachener Nachrichten/Dünnwald: Rüttgers wird neuer AKV-Ordensritter, 25. August 2009; Aachener Zeitung/Kutsch, Esser: Rüttgers steigt für den AKV in den Narrenkäfig, 25. August 2009

Siehe auch

Weblinks

Commons: Jürgen Rüttgers – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien