Josef Schwejk

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Josef Schwejk in Humenné (Ostslowakei)

Josef Schwejk (tschechische Schreibweise Švejk; *1891 in Královské Vinohrady; †1965 in Prag-Vinohrady) war ein tschechischer Tischler und war eine Inspiration für die gleichnamige Hauptfigur der Geschichten Jaroslav Hašeks vom „braven Soldaten Schwejk“.


Leben

Über den Prager Bürger Josef Schwejk lassen sich in den tschechischen Archiven nur wenige Anhaltspunkte finden: Er wurde 1891 in Královské Vinohrady („Königliche Weinberge“, ein Stadtteil Prags) geboren, und in den Jahren 1905 bis 1908 lernte er den Beruf eines Tischlers: Melde gehorsam, daß ich auf die Welt gekommen bin und dann die Schule besucht habe. Später war ich bei einem Tischler in der Lehre und habe auch ausgelernt.[1]

Im Jahre 1908 wurde er zum Militärdienst einberufen und nahm an der Okkupation Bosniens durch die österreichischen Truppen teil. Jedoch bald wurde er wegen „Dummheit“ superarbitriert und vom Militärdienst befreit.

Josef Schwejk wohnte zu dieser Zeit in Königliche Weinberge in der Straße Na Bojišti 12, gleich neben dem weltberühmten Gasthaus Zum Kelch, wo er zu den Stammkunden gehörte. Ob er dort den Humoristen Jaroslav Hašek kennenlernte, ist ungewiss.

Auf keinen Fall dienten die beiden 1914 in dem 90. Budweiser Regiment, das später an die Ostfront marschierte. Josef Schwejk, schon wegen seiner Superarbitrierung (wegen geistiger Schwäche), hat gar nicht als Soldat am Ersten Weltkrieg teilgenommen.

Im Jahre 1918 heiratete er Jarmila Müller, die mit der Frau Müller aus dem Buch von Jaroslav Hašek nicht identisch ist und zog mit ihr in die Sokolovská Straße in Prag-Weinberge um, wo er 1965 starb.

Josef Schwejk zwischen einer Romanfigur und Biographie

Es bleibt immerhin fraglich, ob Jaroslav Hašek seinen „Helden“, Josef Schwejk, überhaupt persönlich je kennengelernt hatte. Die ganze Geschichte fing nämlich so an:

In der zweiten Hälfte des Monats Mai 1911 (?) kam der Autor nachts betrunken nach Hause. Er legte ein Stück zerknülltes Papier auf den Tisch hin. Es war ein beschmierter Zettel mit dem Titel „Ein Trottel bei der Kompanie“. Darunter konnte man ein Satz entziffern: „Er ließ sich wegen seiner Dummheit superarbitrieren“. Aus dieser kurzen Notiz entstand das Buch „Der brave Soldat Schwejk und andere merkwürdigen Geschichten“, das 1911 im Prager Verlag „Hejda und Tůček“ erschien. Damit ist, entgegen allen Legenden, der „brave Soldat“ Josef Schwejk kein Produkt des Ersten Weltkrieges, sondern er erblickte, als faktische Person, schon 1911 das Licht der Literaturwelt.

Einem tschechoslowakischen Zeitschriftenartikel zufolge[2] habe der Autor seinen Helden im Gasthaus Zum Kelch im Mai 1911 persönlich kennengelernt. Josef Schwejk sei damals gerade nach zwei Dienstmonaten vom Militärdienst nach Prag zurückgekehrt. Wegen „Untauglichkeit“ sei er entlassen worden. Er habe dem Humoristen seine Erlebnisse erzählt. Jaroslav Hašek schrieb die Geschichten nieder, und so sei das Buch „Der brave Soldat Schwejk und andere merkwürdigen Geschichten“ entstanden.

Dieser These widerspricht der tschechische Hašek-Forscher Radko Pytlík[3] mit der Behauptung, dass irgendwelche Kontakte zwischen dem Autor und dem Tischler Josef Schwejk historisch nicht belegbar seien, auch wenn diese Person zweifellos existierte. „Der brave Soldat“, Josef Schwejk, sei bei dem Humoristen eher eine literarische als biographische Gestalt. Etwas Ähnliches äußerte auch der Sohn des weltberühmten Literaten Richard Hašek:

Mein Vater hat die Geschichten 1911 im Gasthaus Zum Kelch von drei Kriegsveteranen gehört, die 1908 an der Okkupation Bosniens teilgenommen hatten. Am Ende des Militärdienstes, 1911, kehrten sie nach Prag zurück, und mein Vater lernte sie im Gasthaus Zum Kelch kennen, wo er damals auf seinen Freund, den Schriftsteller Matěj Kuděj, wartete.

Der letzte intime Freund des Humoristen Jan Mikolášek, der mit Hašek einige Wochen unter einem Dach lebte, bevor er im Januar 1923 starb, äußerte:

Ich fragte mal Jaroslav, ob er überhaupt einen Josef Schwejk kannte. Er verneinte die Antwort und teilte mir mit, daß er nur vor dem Krieg über ihn etwas hörte. Es handele sich um einen Tischler.

Laut dem sowjetischen Hašek-Forscher Alexander Dunajevskij[4] habe sich der Tischler, Josef Schwejk, erst gegen die Humoresken im Buch „Der brave Soldat Schwejk und andere merkwürdigen Geschichten“ negativ gestellt und dem Autor sogar mit einem Gerichtsprozess gedroht. Aber nach dem Zusammenbruch der Monarchie im Jahre 1918 fing er an, sich mit dem Text und Inhalt voll zu identifizieren. Er behauptete, es sei ein Teil seiner Biographie und gab sich als ein „Widerständler“ aus. Demnach machte Josef Schwejk in der Republik eine steile Karriere und schaffte es bis zu einem Staatsbeamten. Seitdem konnte man in den Prager Straßen einen Aphorismus hören: „Als Staatsbeamte muß man nicht unbedingt ein Vollidiot sein, aber es erleichtert die Sache ungemein!“

Josef Schwejk im Winter: „Alles mit der Ruhe!“

Der brave Soldat „Josef Schwejk“ Nr. 2, der keiner war

Obwohl die Identifikation der Hauptperson im Falle „Josef Schwejk Nr.1“ relativ einfach ist, bei dem „Josef Schwejk“, der erst nach dem Ersten Weltkrieg aus der Feder von Jaroslav Hašek stammte, verhält sich die Sache wesentlich komplizierter. Das neue Buch hieß „Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk“, wobei unter dem Namen „Josef Schwejk“ sich der tatsächliche Adjutant („Putzfleck“) des Oberleutnants Lukasch, František (Franz) Strašlipka (lies: Straschlipka), und gleichzeitig der Autor Jaroslav Hašek verbergen...

Die Gestalt des Soldaten „Josef Schwejk“ entstand aus der Feder Jaroslav Hašeks insgesamt in dreimaliger Ausführung:

  • Der brave Soldat Schwejk und andere merkwürdigen Geschichten, Prag 1912.
  • Der brave Soldat Schwejk in der Gefangenschaft, Kiew 1917.
  • Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk, Prag 1921−23.

Alle o.g. schwejkschen Geschichten waren voneinander unabhängig und betrachteten drei verschiedene Personen, die zwar unter dem Namen „Josef Schwejk“ auftraten, aber in Wirklichkeit miteinander nicht identisch waren.

Während der Josef Schwejk in den Humoresken Hašeks von 1912 dokumentarisch tatsächlich existiert hatte, und sich (wenn schon erst wesentlich später) mit dem Inhalt des Buches identifizierte, war der „Josef Schwejk“ von 1917 offensichtlich nur eine frei erfundene Romangestalt.

Der brave Soldat „Josef Schwejk“ aus den Jahren 1921−23, der später zum weltberühmten Typ wurde, war − wie schon erwähnt − eine gelungene Kombination vom Diener des Oberleutnants Lukasch, namens Franz Strašlipka und Jaroslav Hašek selbst. Warum der Autor sein letztes und weltberühmtes Buch nicht unter dem Titel „Die Abenteuer des braven Soldaten Franz Strašlipka“ veröffentlichte, und statt dessen wiederum zum Namen „Josef Schwejk“ zurückgegriffen hatte, bleibt für alle Hašek-Forscher dieser Welt ein unlösbares Rätsel. Es ist dabei erwähnenswert, dass der Name „Strašlipka“ (auf deutsch: Angsthäschen) vielleicht mehr die satirische Tendenz des Werkes unterstrichen hätte, da der Name „Josef Schwejk“ mit dem Werk von 1912 zwar identisch war, aber mit dem Werk von 1921−23 nachweislich überhaupt nichts zu tun hatte.

Umschlag der ersten Ausgabe in Deutschland (Berlin 1926)

„Josef Schwejk“ und Deutschland

Kurt Tucholsky: „Zu diesem Buch ist mir in der gesamten Literatur kein Gegenstück bekannt.“

Die spätere Einführung „Josef Schwejk“ in die Weltliteratur ist mit Sicherheit das Verdienst des Berliner Regisseurs Erwin Piscator. „Josef Schwejk“ erschien auf der Bühne des „Theaters am Nollendorfplatz“ in Berlin 1927/28. Die Erfolge des deutschen Regisseurs verursachten in der Weltöffentlichkeit ein starkes Interesse für diese sonderbare Lektüre: Nach Deutschland und der Sowjetunion kam England.

Die offiziellen Kreise in der Tschechoslowakei standen dem Werk ablehnend gegenüber, und die Zensur hat zeitweise die Verbreitung der Publikation untersagt. Ohne die Berliner Theateraufführung und das Interesse des deutschen Publikums wäre es nicht ausgeschlossen, dass Hašek mit seinem „Josef Schwejk“ als bedeutungslose Interpretation klanglos eingegangen wäre.

„Josef Schwejk-Srašlipka“ und die anderen...

Die Orte, Personen und Ereignisse sind im Werk Hašeks einwandfrei dokumentarisch verfolgbar. Unter solchen Umständen bleibt ohne Zweifel, dass die „Abenteuer des braven Soldaten Schwejk“ keine typische Form eines Romanwerks sind, sondern sie stellen in Wirklichkeit teilweise eine Biographie und teilweise eine Autobiographie des Humoristen sowie seiner unmittelbaren Umwelt dar.

Warum Jaroslav Hašek in einigen Fällen die realen Namen im Werk zitiert und in anderen Fällen zu Pseudonymen ausweicht, bleibt rätselhaft:

  • Der brave Soldat Josef Schwejk-Strašlipka:

In Wirklichkeit der Diener des Oberleutnants Lukaschs Franz Strašlipka (1880 - 1949), wohnhaft in Hostivice bei Prag. Der Ziegler Strašlipka lernte den Autor schon vor dem Ersten Weltkrieg mittels der Prager „Bordellmutter“, Frau Müller, kennen. Strašlipka hielt sich des Öfteren im „Gasthaus Zum Kelch“ auf, wo sein Freund, Josef Palivec, als Hilfskellner tätig war.

  • Die Hausdienerin Schwejks, Frau Müller:

In Wirklichkeit war Marie Müller eine beliebte „Bordellmutter“ im Bezirk Prag-Weinberge, in der Straße „Am Schlachtfeld“, direkt neben dem „Gasthaus Zum Kelch“.

  • Gastwirt Palivec:

Der wirkliche Gastwirt im Gasthaus Zum Kelch hieß Šmíd (Schmied), mit Spitznamen „Grobian“. Josef Palivec arbeitete dort nur als Hilfskellner.

  • Geheimpolizist Bretschneider:

Er war ein Prager Polizeibeamter. Im Jahre 1919 verließ er Prag und emigrierte nach Berlin. In der Bülowstr. 9−10 wurde er im Weinhaus „Carl Friebe − Gustav Schlichting“ eingestellt. In einigen Archiv- und Polizeidokumenten von Berlin wurde er als Španda-Bretschneider geführt.

  • Oberleutnant Heinrich Lukasch:

In Wirklichkeit hieß er Rudolf Lukáš (Lukasch). „Josef Schwejk-Strašlipka“ funktionierte bei ihm als Diener bzw. „Putzfleck“. Während des Ersten Weltkrieges war Oberleutnant Rudolf Lukasch Vorgesetzter Hašeks, der bei ihm im Rang der Ordonanz fungierte.

  • Einjährig-Freiwilliger Marek:

In Wirklichkeit verbarg sich hinter dem Namen der Humorist selbst. Den Namen „Karel Marek“ hatte er sich von seinem ehemaligen Freund aus der Zeit der anarchistischen Betätigung „geliehen“.

  • Leutnant Dub:

In der Tat handelte es sich um den Leutnant Jiří Mechalek. Er diente in der gleichen Einheit wie „Schwejk-Strašlipka“ und „Marek-Hašek“.

  • Die Herren Feldkurate:

Feldkurat Otto Katz wurde 1864 geboren und stammte aus einer jüdischen Familie, die in Böhmen eine Textilfabrik besaß. Feldkurat „Ibl“ (in Wirklichkeit Jan Evangelista Eybl) wurde geboren am 15. November 1882 und starb 1967 in einem Altenheim in der Nähe von Prag. Feldkurat Lacina (mit vollem Namen: Ludvík Lacina) wurde 1868 geboren und stammte aus dem Dorf Krásná bei Valašské Meziříčí, wo er eine ansehnliche Villa besaß.

  • Rechnungsfeldwebel Vaněk:

Mit wirklichem Namen Jan Vaněk. Er wurde zum Rechnungsfeldwebel unter dem Befehl des Oberleutnants Lukasch.

  • Kadet Biegler:

Im Werk nannte ihn der Autor „Adolf Biegler“. In Wirklichkeit hieß er Hans Bigler. Er wurde 1894 in Budweis (Südböhmen) geboren, wo die Biglers einen Spirituosen-Laden besaßen. Der Autor hatte Hans Bigler im Kursus für Einjährig-Freiwillige in Budweis 1915 kennengelernt.

  • Hauptmann Sagner:

Čeněk Sagner wurde am 13. März 1884 geboren und war damit um zwei Jahre älter als Oberleutnant Lukasch und um ein Jahr jünger als Jaroslav Hašek, obwohl ihn der Illustrator, Josef Lada in den „Abenteuern des braven Soldaten Schwejk“ als einen alten Herrn dargestellt hatte, was nicht der Tatsache entsprach.

  • Kati Wendler:

Mit ihrem wirklichen Namen hieß sie Anni Wendler. Sie stammte aus Reichenberg. Ihr Onkel besaß in Budweis eine Brauerei. Anni Wendler lernte den Oberleutnant Rudolf Lukasch 1915 in Budweis kennen. Sie wurde am 6. Oktober 1883 geboren, war also in der Zeit ihrer Bekanntschaft mit Oberleutnant Lukasch 32 Jahre alt.

Quellen

  1. Aus der Prager Zeitschrift „Karikatury“ vom 22. Mai 1911
  2. Jaroslav Veselý in der Zeitschrift „Květy“ vom 7. September 1968 unter dem Titel „Jaroslav Hašek − der Freund Josef Schwejks“
  3. Pytlík, Radko: Kniha o Švejkovi. (Das Buch über Schwejk.) Prag 1977.
  4. Dunajevskij, Alexander: Idu za Gašekom (russisch), Moskau 1983.

Literatur

  • Berwid-Buquoy, Jan: Die Abenteuer des gar nicht so braven Humoristen Jaroslav Hašek. Legenden und Wirklichkeit, 4. Auflage, Budweis 2002, ISBN 3-924933-02-2.

Archive

  • Památník národního písemnictví (Gedenkstätte des nationalen Schrifttums), Prag-Strahov.
  • Ústřední archiv Praha (Zentralarchiv Prag).