„Riemannsche Vermutung“ – Versionsunterschied

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Die '''riemannsche Vermutung''' oder '''riemannsche Hypothese''' (nach [[Bernhard Riemann]]) ist eine Annahme über die Nullstellen der [[Riemannsche Zetafunktion|riemannschen Zetafunktion]]. Sie besagt, dass alle nichttrivialen Nullstellen dieser komplexwertigen Funktion den [[Realteil]] ½ besitzen. Ob die Vermutung zutrifft oder nicht, ist eines der bedeutendsten [[Ungelöste Probleme der Mathematik|ungelösten Probleme der Mathematik]].
Die '''Riemannsche Vermutung''' oder '''Riemannsche Hypothese''' (nach [[Bernhard Riemann]]) ist eine Annahme über die Nullstellen der [[Riemannsche Zetafunktion|Riemannschen Zetafunktion]]. Sie besagt, dass alle nichttrivialen Nullstellen dieser komplexwertigen Funktion den [[Realteil]] ½ besitzen. Ob die Vermutung zutrifft oder nicht, ist eines der bedeutendsten [[Ungelöste Probleme der Mathematik|ungelösten Probleme der Mathematik]].


Im Jahr 2000 wurde das Problem vom [[Clay Mathematics Institute]] (CMI) in [[Cambridge (Massachusetts)]] auf die Liste der [[Millennium-Probleme]] gesetzt. Das Institut in [[Massachusetts]] hat ein Preisgeld von einer Million US-Dollar für eine schlüssige Lösung des Problems in Form eines [[Beweis (Mathematik)|mathematischen Beweises]] ausgelobt.
Im Jahr 2000 wurde das Problem vom [[Clay Mathematics Institute]] (CMI) in [[Cambridge (Massachusetts)]] auf die Liste der [[Millennium-Probleme]] gesetzt. Das Institut in [[Massachusetts]] hat ein Preisgeld von einer Million US-Dollar für eine schlüssige Lösung des Problems in Form eines [[Beweis (Mathematik)|mathematischen Beweises]] ausgelobt.


== Die riemannsche Zetafunktion ==
== Die Riemannsche Zetafunktion ==
[[Datei:Riemann Zeta.jpg|thumbnail=Thumbnail-of-Riemann Zeta.jpg.png|miniatur|Riemannsche Zetafunktion in der komplexen Ebene, horizontal <math>\textrm{Re}(s)</math> und vertikal <math>\textrm{Im}(s)</math>. Eine Reihe weißer Flecken markiert die Nullstellen bei <math>\textrm{Re}(s)=</math>½. Für eine vollständige Darstellung des Vorschaubildes [[:Bild:Riemann Zeta.jpg|hier klicken.]]]]
[[Datei:Riemann Zeta.jpg|thumbnail=Thumbnail-of-Riemann Zeta.jpg.png|miniatur|Riemannsche Zetafunktion in der komplexen Ebene, horizontal <math>\textrm{Re}(s)</math> und vertikal <math>\textrm{Im}(s)</math>. Eine Reihe weißer Flecken markiert die Nullstellen bei <math>\textrm{Re}(s)=</math>½. Für eine vollständige Darstellung des Vorschaubildes [[:Bild:Riemann Zeta.jpg|hier klicken.]]]]
{{Hauptartikel|Riemannsche ζ-Funktion}}
{{Hauptartikel|Riemannsche ζ-Funktion}}


Die riemannsche Zetafunktion ist eine [[komplexwertige Funktion]], die für Realteile <math>\operatorname{Re}(s) > 1</math> durch die folgende unendliche Summe definiert ist:
Die Riemannsche Zetafunktion ist eine [[komplexwertige Funktion]], die für Realteile <math>\operatorname{Re}(s) > 1</math> durch die folgende unendliche Summe definiert ist:


: <math>
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Dabei ist die Variable <math>s</math> eine [[komplexe Zahl]].
Dabei ist die Variable <math>s</math> eine [[komplexe Zahl]].


Eine der wichtigsten Eigenschaften der riemannschen Zetafunktion ist ihr Zusammenhang mit den [[Primzahlen]]. Sie stellt eine Beziehung zwischen [[Funktionentheorie|komplexer Analysis]] und [[Analytische Zahlentheorie|analytischer Zahlentheorie]] her und bildet den Ausgangspunkt der riemannschen Vermutung.
Eine der wichtigsten Eigenschaften der Riemannschen Zetafunktion ist ihr Zusammenhang mit den [[Primzahlen]]. Sie stellt eine Beziehung zwischen [[Funktionentheorie|komplexer Analysis]] und [[Analytische Zahlentheorie|analytischer Zahlentheorie]] her und bildet den Ausgangspunkt der Riemannschen Vermutung.
Der folgende Ausdruck, der auf [[Leonhard Euler]] (1748) zurückgeht, stellt den Zusammenhang formelhaft dar als
Der folgende Ausdruck, der auf [[Leonhard Euler]] (1748) zurückgeht, stellt den Zusammenhang formelhaft dar als


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wobei <math> \Pi_p </math> ein unendliches Produkt über alle [[Primzahl]]en <math>p</math> darstellt. Der Ausdruck folgt unmittelbar aus dem Satz über die Eindeutigkeit der Primzahlzerlegung und der Summationsformel für die [[geometrische Reihe]].
wobei <math> \Pi_p </math> ein unendliches Produkt über alle [[Primzahl]]en <math>p</math> darstellt. Der Ausdruck folgt unmittelbar aus dem Satz über die Eindeutigkeit der Primzahlzerlegung und der Summationsformel für die [[geometrische Reihe]].


Die Funktion lässt sich über den ursprünglichen Konvergenzbereich der eulerschen Summen- bzw. Produktformel hinaus auf die gesamte komplexe Ebene – mit Ausnahme von <math>s=1</math> – eindeutig [[Analytische Fortsetzung|analytisch fortsetzen]]. Man erhält eine [[meromorphe Funktion]]: Im Punkt <math>s = 1</math> besitzt sie einen einfachen [[Polstelle|Pol]].
Die Funktion lässt sich über den ursprünglichen Konvergenzbereich der Eulerschen Summen- bzw. Produktformel hinaus auf die gesamte komplexe Ebene – mit Ausnahme von <math>s=1</math> – eindeutig [[Analytische Fortsetzung|analytisch fortsetzen]]. Man erhält eine [[meromorphe Funktion]]: Im Punkt <math>s = 1</math> besitzt sie einen einfachen [[Polstelle|Pol]].


:<math>\zeta (s)=\frac{1}{\Gamma (s)} \left(\frac{1}{s-1}-\frac{1}{2s}+\sum\limits_{n =2}^\infty
:<math>\zeta (s)=\frac{1}{\Gamma (s)} \left(\frac{1}{s-1}-\frac{1}{2s}+\sum\limits_{n =2}^\infty
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<math>B_0=1,\; B_1=-1/2,\; B_2=1/6,\; B_3=0, \dots</math>
<math>B_0=1,\; B_1=-1/2,\; B_2=1/6,\; B_3=0, \dots</math>


== Die riemannsche Vermutung ==
== Riemannsche Vermutung ==
[[Datei:Zeta-Kritisch.png|miniatur|Betrag der Zetafunktion auf der kritischen Geraden Re(s) = 1/2]]
[[Datei:Zeta-Kritisch.png|miniatur|Betrag der Zetafunktion auf der kritischen Geraden Re(s) = 1/2]]
[[Datei:Nullstellen_zeta.png|miniatur|Funktionswerte der Zetafunktion auf der kritischen Geraden Re(s) = 1/2]]
[[Datei:Nullstellen_zeta.png|miniatur|Funktionswerte der Zetafunktion auf der kritischen Geraden Re(s) = 1/2]]


Im Folgenden wird die [[riemannsche Zetafunktion]] in analytischer Fortsetzung betrachtet. In dieser Form hat die Zeta-Funktion sogenannte „triviale Nullstellen“, die sich aus der Menge der Polstellen der Gamma-Funktion vermindert um die Menge der Polstellen des Klammerausdrucks durch Aufhebung ergeben. Es handelt sich dabei um die Menge der negativen geraden Zahlen <math>s = -2,\; -4, \; -6, \dots </math>.
Im Folgenden wird die [[Riemannsche Zetafunktion]] in analytischer Fortsetzung betrachtet. In dieser Form hat die Zeta-Funktion sogenannte „triviale Nullstellen“, die sich aus der Menge der Polstellen der Gamma-Funktion vermindert um die Menge der Polstellen des Klammerausdrucks durch Aufhebung ergeben. Es handelt sich dabei um die Menge der negativen geraden Zahlen <math>s = -2,\; -4, \; -6, \dots </math>.


Eine zentrale Erkenntnis Riemanns in seiner berühmten Arbeit aus dem Jahre 1859<ref name="riemann1859" /> war die Feststellung, dass sich alle möglichen nichttrivialen Nullstellen in dem Streifen
Eine zentrale Erkenntnis Riemanns in seiner berühmten Arbeit aus dem Jahre 1859<ref name="riemann1859" /> war die Feststellung, dass sich alle möglichen nichttrivialen Nullstellen in dem Streifen
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== Bedeutung ==
== Bedeutung ==
Aus der riemannschen Vermutung folgt beispielsweise eine Restgliedabschätzung im [[Primzahlsatz]] ([[Helge von Koch]] 1901)<ref>Helge von Koch ''Sur la distribution des nombres premiers'', Acta Mathematica, Band 24, 1901, S. 159–182</ref>:
Aus der Riemannschen Vermutung folgt beispielsweise eine Restgliedabschätzung im [[Primzahlsatz]] ([[Helge von Koch]] 1901)<ref>Helge von Koch ''Sur la distribution des nombres premiers'', Acta Mathematica, Band 24, 1901, S. 159–182</ref>:
: <math>\pi(x) = \mathrm{Li}\,x+\mathcal{O}(\sqrt x\cdot\log x)</math>
: <math>\pi(x) = \mathrm{Li}\,x+\mathcal{O}(\sqrt x\cdot\log x)</math>
dabei ist
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Die eigentliche Ursache dafür, dass viele Mathematiker so intensiv nach einer Lösung gesucht haben, ist aber – abgesehen davon, dass dies die letzte noch unbewiesene Aussage in Riemanns berühmtem Aufsatz ist – dass sich in dieser außergewöhnlich perfekten Symmetrie einer ansonsten sehr chaotischen Funktion (z.&nbsp;B. [[Universalitätssatz von Voronin]]: die Zetafunktion kann jede beliebige analytische von Null verschiedene Funktion innerhalb eines Kreises vom Radius 1/4 beliebig approximieren) wahrscheinlich die Spitze des Eisbergs einer fundamentalen Theorie verbirgt, so wie sich hinter der [[Großer Fermatscher Satz|Fermatvermutung]] die Parametrisierung von elliptischen Kurven durch Modulfunktionen verbarg, ein Teil des [[Langlands-Programm]]s.
Die eigentliche Ursache dafür, dass viele Mathematiker so intensiv nach einer Lösung gesucht haben, ist aber – abgesehen davon, dass dies die letzte noch unbewiesene Aussage in Riemanns berühmtem Aufsatz ist – dass sich in dieser außergewöhnlich perfekten Symmetrie einer ansonsten sehr chaotischen Funktion (z.&nbsp;B. [[Universalitätssatz von Voronin]]: die Zetafunktion kann jede beliebige analytische von Null verschiedene Funktion innerhalb eines Kreises vom Radius 1/4 beliebig approximieren) wahrscheinlich die Spitze des Eisbergs einer fundamentalen Theorie verbirgt, so wie sich hinter der [[Großer Fermatscher Satz|Fermatvermutung]] die Parametrisierung von elliptischen Kurven durch Modulfunktionen verbarg, ein Teil des [[Langlands-Programm]]s.
<!---- Kann man das präzisieren? --[[Benutzer Diskussion:Gunther|Gunther]] 01:00, 11. Mai 2005 (CEST)
<!---- Kann man das präzisieren? --[[Benutzer Diskussion:Gunther|Gunther]] 01:00, 11. Mai 2005 (CEST)
Falls die Vermutung wahr ist, hätte das aber auch große Auswirkungen auf andere Bereiche der Mathematik, z.&nbsp;B. auf den Umgang mit elliptischen Kurven oder die [[goldbachsche Vermutung]].
Falls die Vermutung wahr ist, hätte das aber auch große Auswirkungen auf andere Bereiche der Mathematik, z.&nbsp;B. auf den Umgang mit elliptischen Kurven oder die [[Goldbachsche Vermutung]].
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== Geschichte ==
== Geschichte ==
Die riemannsche Vermutung wurde schon 1859 von Bernhard Riemann in einer berühmten Arbeit, die die Grundlagen der analytischen [[Zahlentheorie]] legte, nur nebenbei erwähnt, da sie - wie er schrieb - für den unmittelbaren Fortgang der Untersuchung seines Aufsatzes nicht wesentlich sei. Er sicherte seine Vermutung durch umfangreiche numerische Berechnungen der Nullstellen ab, wie [[Carl Ludwig Siegel]] in den 1930er Jahren bei der Untersuchung von Riemanns Nachlass herausfand.<ref>Siegel ''Über Riemanns Nachlaß zur analytischen Zahlentheorie'', Quellen Studien zur Geschichte der Math. Astron. und Phys. Abt. B: Studien, Band 2, 1932, S. 45–80, sowie Siegel Gesammelte Abhandlungen, Band 1, Springer Verlag, 1966</ref> 1903 veröffentlichte [[Jørgen Pedersen Gram]]<ref>Gram ''Sur les zéros de la fonction <math>\zeta (s)</math> de Riemann'', Acta Math., Band 27, 1903, S. 289–304</ref> numerische Näherungswerte für die ersten 15 im kritischen Bereich liegenden Nullstellen. Sie unterstützen (beweisen aber nicht) die riemannsche Vermutung, ebenso wie alle weiteren Nullstellen, die später gefunden wurden und deren Anzahl Anfang der achtziger Jahre des 20. Jahrhunderts die 100-Millionen-Grenze überschritt. Im Jahr 2001 wurde mit Hilfe von Großrechnern gezeigt, dass die ersten zehn Milliarden Nullstellen der komplexen Zeta-Funktion alle die Riemannsche Vermutung erfüllen, d.&nbsp;h., sie liegen alle auf der Geraden mit Realteil <math>1/2</math>.
Die Riemannsche Vermutung wurde schon 1859 von Bernhard Riemann in einer berühmten Arbeit, die die Grundlagen der analytischen [[Zahlentheorie]] legte, nur nebenbei erwähnt, da sie - wie er schrieb - für den unmittelbaren Fortgang der Untersuchung seines Aufsatzes nicht wesentlich sei. Er sicherte seine Vermutung durch umfangreiche numerische Berechnungen der Nullstellen ab, wie [[Carl Ludwig Siegel]] in den 1930er Jahren bei der Untersuchung von Riemanns Nachlass herausfand.<ref>Siegel ''Über Riemanns Nachlaß zur analytischen Zahlentheorie'', Quellen Studien zur Geschichte der Math. Astron. und Phys. Abt. B: Studien, Band 2, 1932, S. 45–80, sowie Siegel Gesammelte Abhandlungen, Band 1, Springer Verlag, 1966</ref> 1903 veröffentlichte [[Jørgen Pedersen Gram]]<ref>Gram ''Sur les zéros de la fonction <math>\zeta (s)</math> de Riemann'', Acta Math., Band 27, 1903, S. 289–304</ref> numerische Näherungswerte für die ersten 15 im kritischen Bereich liegenden Nullstellen. Sie unterstützen (beweisen aber nicht) die Riemannsche Vermutung, ebenso wie alle weiteren Nullstellen, die später gefunden wurden und deren Anzahl Anfang der achtziger Jahre des 20. Jahrhunderts die 100-Millionen-Grenze überschritt. Im Jahr 2001 wurde mit Hilfe von Großrechnern gezeigt, dass die ersten zehn Milliarden Nullstellen der komplexen Zeta-Funktion alle die Riemannsche Vermutung erfüllen, d.&nbsp;h., sie liegen alle auf der Geraden mit Realteil <math>1/2</math>.


Einen weiteren Meilenstein bei der numerischen Suche stellte das im August 2001 gestartete Zeta-Grid-Projekt dar. Mit Hilfe der Methode des [[Verteiltes Rechnen|verteilten Rechnens]], an der viele Tausend Internet-Nutzer teilnahmen, wurden nach drei Jahren etwa 1 Billion Nullstellen gefunden. Das Projekt wurde inzwischen eingestellt.
Einen weiteren Meilenstein bei der numerischen Suche stellte das im August 2001 gestartete Zeta-Grid-Projekt dar. Mit Hilfe der Methode des [[Verteiltes Rechnen|verteilten Rechnens]], an der viele Tausend Internet-Nutzer teilnahmen, wurden nach drei Jahren etwa 1 Billion Nullstellen gefunden. Das Projekt wurde inzwischen eingestellt.
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Die beiden französischen Mathematiker Gourdon und Demichel starteten mit dem [[Verfahren von Odlyzko und Schönhage]] im Jahr 2004 einen neuen Versuch und hatten im Oktober 2004 die ersten 10 [[Billion]]en Nullstellen überprüft, ohne ein Gegenbeispiel zu finden. Obwohl es sich bei allen Rechnungen um numerische Verfahren handelt, zeigen diese exakt und nicht nur annähernd, dass sich die untersuchten Nullstellen auf der kritischen Geraden befinden.<ref> ''Calculations relating to the zeros'', Kapitel 15 in Titchmarsh: ''The Theory of the Riemann Zeta function''</ref>
Die beiden französischen Mathematiker Gourdon und Demichel starteten mit dem [[Verfahren von Odlyzko und Schönhage]] im Jahr 2004 einen neuen Versuch und hatten im Oktober 2004 die ersten 10 [[Billion]]en Nullstellen überprüft, ohne ein Gegenbeispiel zu finden. Obwohl es sich bei allen Rechnungen um numerische Verfahren handelt, zeigen diese exakt und nicht nur annähernd, dass sich die untersuchten Nullstellen auf der kritischen Geraden befinden.<ref> ''Calculations relating to the zeros'', Kapitel 15 in Titchmarsh: ''The Theory of the Riemann Zeta function''</ref>


Viele berühmte Mathematiker haben sich an der Riemannvermutung versucht. [[Jacques Hadamard]] behauptete 1896 ohne nähere Ausführungen in seiner Arbeit ''Sur la distribution des zéros de la fonction ζ(s) et ses conséquences arithmétiques'',<ref>Bulletin de la Société Mathématique de France 24 (1896), 199–220 ([http://archive.numdam.org/ARCHIVE/BSMF/BSMF_1896__24_/BSMF_1896__24__199_1/BSMF_1896__24__199_1.pdf online]), dort S. 199</ref> in der er den [[Primzahlsatz]] bewies, dass der damals kürzlich verstorbene [[Thomas Jean Stieltjes|Stieltjes]] die riemannsche Vermutung bewiesen habe, ohne den Beweis zu publizieren. Stieltjes behauptete 1885 in einem Aufsatz in den Compte Rendu der [[Academie des Sciences]] einen Satz über das asymptotische Verhalten der Mertensfunktion bewiesen zu haben, aus der die Riemann-Vermutung folgt (siehe unten)<ref>In Stieltjes Nachlass fand sich kein Hinweis auf diese Beweise. Derbyshire ''Prime Obsession'', S. 160f. Die Mertensvermutung ist inzwischen widerlegt.</ref>. Der berühmte britische Mathematiker [[Godfrey Harold Hardy]] pflegte vor der Überquerung des Ärmelkanals bei schlechtem Wetter ein Telegramm abzuschicken, in dem er behauptete, einen Beweis gefunden zu haben, dem Beispiel von [[Pierre de Fermat|Fermat]] folgend, der auf dem Rand eines Buches der Nachwelt überlieferte, er hätte für [[Großer fermatscher Satz|seine Vermutung]] einen Beweis, der leider zu lang sei um auf dem Rand Platz zu finden.<ref>[http://www.nytimes.com/2002/07/02/science/143-year-old-problem-still-has-mathematicians-guessing.html New York Times zur Riemannvermutung], die Anekdote ist auch in der Hilbert-Biografie von Constance Reid zu finden</ref> Sein Kollege [[John Edensor Littlewood]] bekam in Cambridge 1906 als Student sogar die Riemannhypothese als funktionentheoretisches Problem von seinem Professor [[Ernest William Barnes]] gestellt, ohne Verbindung zur Primzahlverteilung – diesen Zusammenhang musste Littlewood für sich entdecken und bewies in seiner Fellowship-Dissertation, dass der Primzahlsatz aus der Hypothese folgt, was aber in Kontinentaleuropa schon länger bekannt war. Wie er in seinem Buch ''A mathematician’s miscellany'' zugab, warf dies kein gutes Licht auf den damaligen Stand der Mathematik in England. Littlewood leistete aber bald darauf wichtige Beiträge zur analytischen Zahlentheorie im Zusammenhang mit der Riemannhypothese. Das Problem wurde im Jahr 1900 von [[David Hilbert]] in seiner [[Hilberts Liste von 23 mathematischen Problemen|Liste der 23 mathematischen Probleme]] als Jahrhundertproblem deklariert, wobei Hilbert selbst es als weniger schwierig als beispielsweise das Fermat-Problem einordnete: in einem Vortrag 1919 gab er der Hoffnung Ausdruck, dass ein Beweis noch zu seinen Lebzeiten gefunden würde, im Fall der Fermat-Vermutung vielleicht zu Lebzeiten der jüngsten Zuhörer, für am schwierigsten hielt er die Transzendenz-Beweise in seiner Problemliste – ein Problem, das in den 1930er Jahren durch [[Alexander Ossipowitsch Gelfond|Gelfond]] und [[Theodor Schneider|Schneider]] gelöst wurde.<ref>Du Sautoy ''Die Musik der Primzahlen'', S.147</ref> Mittlerweile sind viele der Probleme auf Hilberts Liste gelöst, nur die Riemannvermutung widerstand allen Versuchen. Da im 20. Jahrhundert kein Beweis für die Riemannsche Vermutung gefunden wurde, hat das [[Clay Mathematics Institute]] im Jahr 2000 dieses Vorhaben erneut zu einem der [[Millennium-Probleme|wichtigsten mathematischen Probleme]] erklärt und einen Preis von einer Million US-Dollar auf einen schlüssigen Beweis ausgesetzt, allerdings nicht für ein Gegenbeispiel.
Viele berühmte Mathematiker haben sich an der Riemannvermutung versucht. [[Jacques Hadamard]] behauptete 1896 ohne nähere Ausführungen in seiner Arbeit ''Sur la distribution des zéros de la fonction ζ(s) et ses conséquences arithmétiques'',<ref>Bulletin de la Société Mathématique de France 24 (1896), 199–220 ([http://archive.numdam.org/ARCHIVE/BSMF/BSMF_1896__24_/BSMF_1896__24__199_1/BSMF_1896__24__199_1.pdf online]), dort S. 199</ref> in der er den [[Primzahlsatz]] bewies, dass der damals kürzlich verstorbene [[Thomas Jean Stieltjes|Stieltjes]] die Riemannsche Vermutung bewiesen habe, ohne den Beweis zu publizieren. Stieltjes behauptete 1885 in einem Aufsatz in den Compte Rendu der [[Academie des Sciences]] einen Satz über das asymptotische Verhalten der Mertensfunktion bewiesen zu haben, aus der die Riemann-Vermutung folgt (siehe unten)<ref>In Stieltjes Nachlass fand sich kein Hinweis auf diese Beweise. Derbyshire ''Prime Obsession'', S. 160f. Die Mertensvermutung ist inzwischen widerlegt.</ref>. Der berühmte britische Mathematiker [[Godfrey Harold Hardy]] pflegte vor der Überquerung des Ärmelkanals bei schlechtem Wetter ein Telegramm abzuschicken, in dem er behauptete, einen Beweis gefunden zu haben, dem Beispiel von [[Pierre de Fermat|Fermat]] folgend, der auf dem Rand eines Buches der Nachwelt überlieferte, er hätte für [[Großer fermatscher Satz|seine Vermutung]] einen Beweis, der leider zu lang sei um auf dem Rand Platz zu finden.<ref>[http://www.nytimes.com/2002/07/02/science/143-year-old-problem-still-has-mathematicians-guessing.html New York Times zur Riemannvermutung], die Anekdote ist auch in der Hilbert-Biografie von Constance Reid zu finden</ref> Sein Kollege [[John Edensor Littlewood]] bekam in Cambridge 1906 als Student sogar die Riemannhypothese als funktionentheoretisches Problem von seinem Professor [[Ernest William Barnes]] gestellt, ohne Verbindung zur Primzahlverteilung – diesen Zusammenhang musste Littlewood für sich entdecken und bewies in seiner Fellowship-Dissertation, dass der Primzahlsatz aus der Hypothese folgt, was aber in Kontinentaleuropa schon länger bekannt war. Wie er in seinem Buch ''A mathematician’s miscellany'' zugab, warf dies kein gutes Licht auf den damaligen Stand der Mathematik in England. Littlewood leistete aber bald darauf wichtige Beiträge zur analytischen Zahlentheorie im Zusammenhang mit der Riemannhypothese. Das Problem wurde im Jahr 1900 von [[David Hilbert]] in seiner [[Hilberts Liste von 23 mathematischen Problemen|Liste der 23 mathematischen Probleme]] als Jahrhundertproblem deklariert, wobei Hilbert selbst es als weniger schwierig als beispielsweise das Fermat-Problem einordnete: in einem Vortrag 1919 gab er der Hoffnung Ausdruck, dass ein Beweis noch zu seinen Lebzeiten gefunden würde, im Fall der Fermat-Vermutung vielleicht zu Lebzeiten der jüngsten Zuhörer, für am schwierigsten hielt er die Transzendenz-Beweise in seiner Problemliste – ein Problem, das in den 1930er Jahren durch [[Alexander Ossipowitsch Gelfond|Gelfond]] und [[Theodor Schneider|Schneider]] gelöst wurde.<ref>Du Sautoy ''Die Musik der Primzahlen'', S.147</ref> Mittlerweile sind viele der Probleme auf Hilberts Liste gelöst, nur die Riemannvermutung widerstand allen Versuchen. Da im 20. Jahrhundert kein Beweis für die Riemannsche Vermutung gefunden wurde, hat das [[Clay Mathematics Institute]] im Jahr 2000 dieses Vorhaben erneut zu einem der [[Millennium-Probleme|wichtigsten mathematischen Probleme]] erklärt und einen Preis von einer Million US-Dollar auf einen schlüssigen Beweis ausgesetzt, allerdings nicht für ein Gegenbeispiel.


Es gibt auch zur Riemannvermutung analoge Vermutungen für andere Zetafunktionen, die teilweise ebenfalls gut numerisch gestützt sind. Im Fall der Zetafunktion algebraischer Varietäten (der Fall der Funktionenkörper) über den komplexen Zahlen wurde die Vermutung in den 1930er Jahren von [[Helmut Hasse]] für elliptische Kurven und in den 1940er Jahren von [[André Weil]] für [[Abelsche Varietät|abelsche Varietäten]] und algebraische Kurven (auch über endlichen Körpern) bewiesen. Weil formulierte auch die [[Weil-Vermutungen]], zu denen auch ein Analogon der Riemannhypothese gehört, für algebraische Varietäten (auch höherer Dimension als Kurven) über endlichen Körpern. Der Beweis wurde nach Entwicklung der modernen Methoden der algebraischen Geometrie in der [[Alexander Grothendieck|Grothendieck]]-Schule in den 1970er Jahren von [[Pierre Deligne]] erbracht.
Es gibt auch zur Riemannvermutung analoge Vermutungen für andere Zetafunktionen, die teilweise ebenfalls gut numerisch gestützt sind. Im Fall der Zetafunktion algebraischer Varietäten (der Fall der Funktionenkörper) über den komplexen Zahlen wurde die Vermutung in den 1930er Jahren von [[Helmut Hasse]] für elliptische Kurven und in den 1940er Jahren von [[André Weil]] für [[Abelsche Varietät|abelsche Varietäten]] und algebraische Kurven (auch über endlichen Körpern) bewiesen. Weil formulierte auch die [[Weil-Vermutungen]], zu denen auch ein Analogon der Riemannhypothese gehört, für algebraische Varietäten (auch höherer Dimension als Kurven) über endlichen Körpern. Der Beweis wurde nach Entwicklung der modernen Methoden der algebraischen Geometrie in der [[Alexander Grothendieck|Grothendieck]]-Schule in den 1970er Jahren von [[Pierre Deligne]] erbracht.
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::<math>L(s,\chi)=\sum_{n=1}^{\infty} \frac{\chi(n)}{n^s},</math>
::<math>L(s,\chi)=\sum_{n=1}^{\infty} \frac{\chi(n)}{n^s},</math>
: hat im kritischen Streifen <math>0\leq\operatorname{Re}(s)\leq 1</math> ausschließlich Nullstellen auf der Geraden <math>\operatorname{Re}(s)=1/2.</math>
: hat im kritischen Streifen <math>0\leq\operatorname{Re}(s)\leq 1</math> ausschließlich Nullstellen auf der Geraden <math>\operatorname{Re}(s)=1/2.</math>
Aus der verallgemeinerten Riemannvermutung folgt die Riemannvermutung als Spezialfall. [[Andrew Granville]] konnte zeigen, dass die (starke) [[goldbachsche Vermutung]] im Wesentlichen zur verallgemeinerten Riemannvermutung äquivalent ist.<ref name="Granville" />
Aus der verallgemeinerten Riemannvermutung folgt die Riemannvermutung als Spezialfall. [[Andrew Granville]] konnte zeigen, dass die (starke) [[Goldbachsche Vermutung]] im Wesentlichen zur verallgemeinerten Riemannvermutung äquivalent ist.<ref name="Granville" />


== Verwandte Vermutungen und äquivalente Formulierungen ==
== Verwandte Vermutungen und äquivalente Formulierungen ==
In der analytischen Zahlentheorie gibt es weitere Vermutungen, die mit der Riemannschen Vermutung in Beziehung stehen. Die [[Franz Mertens (Mathematiker)|Mertenssche]] Vermutung besagt, dass <math>\textstyle \left| M(n)\right| = \left| \sum_{k=1}^n \mu(k)\right| < \sqrt{n}</math> für alle <math>n>1</math>. Dabei ist <math>\mu</math> die [[Möbiusfunktion]] und <math>M</math> die sogenannte Mertensfunktion. Die mertenssche Vermutung ist stärker als die riemannsche Vermutung, wurde jedoch 1985 widerlegt.<ref> A. M. Odlyzko and H. J. J. te Riele: ''Disproof of the Mertens conjecture'', J. reine angew. Math., Band 357, 1985, S. 138–160, [http://www.dtc.umn.edu/~odlyzko/doc/zeta.html Online-Version]</ref>
In der analytischen Zahlentheorie gibt es weitere Vermutungen, die mit der Riemannschen Vermutung in Beziehung stehen. Die [[Franz Mertens (Mathematiker)|Mertenssche]] Vermutung besagt, dass <math>\textstyle \left| M(n)\right| = \left| \sum_{k=1}^n \mu(k)\right| < \sqrt{n}</math> für alle <math>n>1</math>. Dabei ist <math>\mu</math> die [[Möbiusfunktion]] und <math>M</math> die sogenannte Mertensfunktion. Die Mertenssche Vermutung ist stärker als die Riemannsche Vermutung, wurde jedoch 1985 widerlegt.<ref> A. M. Odlyzko and H. J. J. te Riele: ''Disproof of the Mertens conjecture'', J. reine angew. Math., Band 357, 1985, S. 138–160, [http://www.dtc.umn.edu/~odlyzko/doc/zeta.html Online-Version]</ref>


In diesem Zusammenhang steht auch die wahrscheinlichkeitstheoretische Interpretation der Riemannvermutung von [[Arnaud Denjoy]]<ref>Denjoy: ''L’Hypothése de Riemann sur la distribution des zéros de <math>\zeta (s)</math>, reliée à la théorie des probabilités'', Comptes Rendus Acad. Sc., Band 192, 1931, S.656–658. Edwards ''Riemanns Zeta Function'', 1974, S.268. Edwards kommentiert diese Interpretation so: ''though it is quite absurd when considered carefully, gives a fleeting glimmer of plausibility to the Riemann hypothesis''.</ref>. Sei <math>\mu (k)</math> eine zufällige Folge von Werten (1, -1) (das heißt, diese haben gleiche Wahrscheinlichkeit), dann gilt für jedes <math>\varepsilon > 0</math> für die Summe (unter Verwendung der [[Landau-Symbole]]) <math>\left|M(x)\right| =\left| \sum_{k \le x} \mu(k) \right| \in \mathcal{O}(x^{1/2+\varepsilon}) </math>, das heißt, der Betrag der Abweichung vom Mittelwert null wächst asymptotisch höchstens so stark wie <math>x^{1/2+\varepsilon}</math>. Setzt man für <math>\mu</math> die Möbiusfunktion ein, so ist die Riemannhypothese äquivalent zu der Aussage, dass dieses asymptotische Wachstumsverhalten auch für deren Summe (die Mertensfunktion) gilt (Littlewood 1912)<ref>Littlewood: ''Quelques conséquences de l’hypothèse que la fonction <math>\zeta (s)</math> n’a pas de zéros dans le demi-plan <math>Re (s) > \frac {1}{2}</math>'', Comptes Rendus, Band 154, 1912, S. 263–266. Edwards, loc. cit. S.261. Littlewood bewies genauer, dass die Riemannhypothese äquivalent zu folgender Aussage ist: Für jedes <math>\varepsilon > 0</math> konvergiert <math>M(x) x^{-\frac{1}{2} - \varepsilon} </math> gegen null für x gegen <math>\infty</math>.</ref>. Die Riemannhypothese lässt sich dann als Aussage interpretieren, dass die Verteilung der Möbiusfunktion (das heißt, ob Zahlen ohne doppelte Primfaktoren eine gerade oder ungerade Anzahl von Primfaktoren haben) völlig zufällig ist.
In diesem Zusammenhang steht auch die wahrscheinlichkeitstheoretische Interpretation der Riemannvermutung von [[Arnaud Denjoy]]<ref>Denjoy: ''L’Hypothése de Riemann sur la distribution des zéros de <math>\zeta (s)</math>, reliée à la théorie des probabilités'', Comptes Rendus Acad. Sc., Band 192, 1931, S.656–658. Edwards ''Riemanns Zeta Function'', 1974, S.268. Edwards kommentiert diese Interpretation so: ''though it is quite absurd when considered carefully, gives a fleeting glimmer of plausibility to the Riemann hypothesis''.</ref>. Sei <math>\mu (k)</math> eine zufällige Folge von Werten (1, -1) (das heißt, diese haben gleiche Wahrscheinlichkeit), dann gilt für jedes <math>\varepsilon > 0</math> für die Summe (unter Verwendung der [[Landau-Symbole]]) <math>\left|M(x)\right| =\left| \sum_{k \le x} \mu(k) \right| \in \mathcal{O}(x^{1/2+\varepsilon}) </math>, das heißt, der Betrag der Abweichung vom Mittelwert null wächst asymptotisch höchstens so stark wie <math>x^{1/2+\varepsilon}</math>. Setzt man für <math>\mu</math> die Möbiusfunktion ein, so ist die Riemannhypothese äquivalent zu der Aussage, dass dieses asymptotische Wachstumsverhalten auch für deren Summe (die Mertensfunktion) gilt (Littlewood 1912)<ref>Littlewood: ''Quelques conséquences de l’hypothèse que la fonction <math>\zeta (s)</math> n’a pas de zéros dans le demi-plan <math>Re (s) > \frac {1}{2}</math>'', Comptes Rendus, Band 154, 1912, S. 263–266. Edwards, loc. cit. S.261. Littlewood bewies genauer, dass die Riemannhypothese äquivalent zu folgender Aussage ist: Für jedes <math>\varepsilon > 0</math> konvergiert <math>M(x) x^{-\frac{1}{2} - \varepsilon} </math> gegen null für x gegen <math>\infty</math>.</ref>. Die Riemannhypothese lässt sich dann als Aussage interpretieren, dass die Verteilung der Möbiusfunktion (das heißt, ob Zahlen ohne doppelte Primfaktoren eine gerade oder ungerade Anzahl von Primfaktoren haben) völlig zufällig ist.
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Die [[lindelöfsche Vermutung]] über die Ordnung der Zetafunktion entlang der kritischen Geraden ist schwächer als die riemannsche Vermutung, aber immer noch unbewiesen.
Die [[Lindelöfsche Vermutung]] über die Ordnung der Zetafunktion entlang der kritischen Geraden ist schwächer als die Riemannsche Vermutung, aber immer noch unbewiesen.


[[Jeffrey Lagarias]] stellte 1992 eine zur Riemannvermutung äquivalente Vermutung der elementaren Zahlentheorie auf.<ref>Lagarias ''An elementary problem equivalent to the Riemann hypothesis'', American Mathematical Monthly, Band 109, 2002, S. 534–543</ref>
[[Jeffrey Lagarias]] stellte 1992 eine zur Riemannvermutung äquivalente Vermutung der elementaren Zahlentheorie auf.<ref>Lagarias ''An elementary problem equivalent to the Riemann hypothesis'', American Mathematical Monthly, Band 109, 2002, S. 534–543</ref>
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Version vom 26. April 2012, 07:42 Uhr

Die Riemannsche Vermutung oder Riemannsche Hypothese (nach Bernhard Riemann) ist eine Annahme über die Nullstellen der Riemannschen Zetafunktion. Sie besagt, dass alle nichttrivialen Nullstellen dieser komplexwertigen Funktion den Realteil ½ besitzen. Ob die Vermutung zutrifft oder nicht, ist eines der bedeutendsten ungelösten Probleme der Mathematik.

Im Jahr 2000 wurde das Problem vom Clay Mathematics Institute (CMI) in Cambridge (Massachusetts) auf die Liste der Millennium-Probleme gesetzt. Das Institut in Massachusetts hat ein Preisgeld von einer Million US-Dollar für eine schlüssige Lösung des Problems in Form eines mathematischen Beweises ausgelobt.

Die Riemannsche Zetafunktion

Riemannsche Zetafunktion in der komplexen Ebene, horizontal und vertikal . Eine Reihe weißer Flecken markiert die Nullstellen bei ½. Für eine vollständige Darstellung des Vorschaubildes hier klicken.

Die Riemannsche Zetafunktion ist eine komplexwertige Funktion, die für Realteile durch die folgende unendliche Summe definiert ist:

Dabei ist die Variable eine komplexe Zahl.

Eine der wichtigsten Eigenschaften der Riemannschen Zetafunktion ist ihr Zusammenhang mit den Primzahlen. Sie stellt eine Beziehung zwischen komplexer Analysis und analytischer Zahlentheorie her und bildet den Ausgangspunkt der Riemannschen Vermutung. Der folgende Ausdruck, der auf Leonhard Euler (1748) zurückgeht, stellt den Zusammenhang formelhaft dar als

wobei ein unendliches Produkt über alle Primzahlen darstellt. Der Ausdruck folgt unmittelbar aus dem Satz über die Eindeutigkeit der Primzahlzerlegung und der Summationsformel für die geometrische Reihe.

Die Funktion lässt sich über den ursprünglichen Konvergenzbereich der Eulerschen Summen- bzw. Produktformel hinaus auf die gesamte komplexe Ebene – mit Ausnahme von – eindeutig analytisch fortsetzen. Man erhält eine meromorphe Funktion: Im Punkt besitzt sie einen einfachen Pol.

,

wobei die Gammafunktion und die Bernoulli-Zahlen sind.

Anmerkung: Bei der hier verwendeten Definition der Bernoulli-Zahlen gilt:

Riemannsche Vermutung

Betrag der Zetafunktion auf der kritischen Geraden Re(s) = 1/2
Funktionswerte der Zetafunktion auf der kritischen Geraden Re(s) = 1/2

Im Folgenden wird die Riemannsche Zetafunktion in analytischer Fortsetzung betrachtet. In dieser Form hat die Zeta-Funktion sogenannte „triviale Nullstellen“, die sich aus der Menge der Polstellen der Gamma-Funktion vermindert um die Menge der Polstellen des Klammerausdrucks durch Aufhebung ergeben. Es handelt sich dabei um die Menge der negativen geraden Zahlen .

Eine zentrale Erkenntnis Riemanns in seiner berühmten Arbeit aus dem Jahre 1859[1] war die Feststellung, dass sich alle möglichen nichttrivialen Nullstellen in dem Streifen

befinden müssen.

Die berühmte – und bis heute weder widerlegte noch bewiesene – Vermutung von Bernhard Riemann besagt, dass alle nichttrivialen Nullstellen auf der mittleren Geraden

liegen.

Riemann kam auf seine Vermutung bei der Untersuchung des Produkts der Zetafunktion mit der Gammafunktion

,

die bei der Vertauschung von mit invariant ist, das heißt, sie erfüllt die Funktionalgleichung:

Riemann selbst verwendete und erhielt damit für alle :

Die Gerade in der komplexen Zahlenebene mit dem Realteil 1/2 ist somit bei dieser Spiegelung ebenfalls invariant. Riemann selbst schreibt über die Nullstellen:[1]

„... und es ist sehr wahrscheinlich, dass alle Wurzeln reell sind. Hievon wäre allerdings ein strenger Beweis zu wünschen; ich habe indeß die Aufsuchung desselben nach einigen flüchtigen vergeblichen Versuchen vorläufig bei Seite gelassen, da er für den nächsten Zweck meiner Untersuchung entbehrlich schien.“

Mit „reellen Wurzeln“ meinte Riemann, dass für ein im kritischen Streifen die Gleichung

lediglich für reelle , also , zu lösen sei.

Bedeutung

Aus der Riemannschen Vermutung folgt beispielsweise eine Restgliedabschätzung im Primzahlsatz (Helge von Koch 1901)[2]:

dabei ist

der Integrallogarithmus. Das Resultat von Koch ist sogar äquivalent zur Riemannvermutung. Es lässt sich auch schreiben

für eine Konstante , und eine etwas schwächere Form ist[3]:

für beliebige .

Viele weitere Resultate der analytischen Zahlentheorie, aber auch etwa für die in der Kryptographie wichtigen schnellen Primzahltests, können bisher nur unter Annahme der Riemannhypothese bewiesen werden. In den komplexen Nullstellen der Zetafunktion sind, wie Michael Berry schrieb, die Fluktuationen um die grobe asymptotisch logarithmische Verteilung der Primzahlen, die der Primzahlsatz beschreibt, kodiert. Kennt man die genaue Verteilung, kann man auch genauere Aussagen über die Wahrscheinlichkeit treffen, wie viele Primzahlen in einem Bereich anzutreffen sind.

Die eigentliche Ursache dafür, dass viele Mathematiker so intensiv nach einer Lösung gesucht haben, ist aber – abgesehen davon, dass dies die letzte noch unbewiesene Aussage in Riemanns berühmtem Aufsatz ist – dass sich in dieser außergewöhnlich perfekten Symmetrie einer ansonsten sehr chaotischen Funktion (z. B. Universalitätssatz von Voronin: die Zetafunktion kann jede beliebige analytische von Null verschiedene Funktion innerhalb eines Kreises vom Radius 1/4 beliebig approximieren) wahrscheinlich die Spitze des Eisbergs einer fundamentalen Theorie verbirgt, so wie sich hinter der Fermatvermutung die Parametrisierung von elliptischen Kurven durch Modulfunktionen verbarg, ein Teil des Langlands-Programms.

Geschichte

Die Riemannsche Vermutung wurde schon 1859 von Bernhard Riemann in einer berühmten Arbeit, die die Grundlagen der analytischen Zahlentheorie legte, nur nebenbei erwähnt, da sie - wie er schrieb - für den unmittelbaren Fortgang der Untersuchung seines Aufsatzes nicht wesentlich sei. Er sicherte seine Vermutung durch umfangreiche numerische Berechnungen der Nullstellen ab, wie Carl Ludwig Siegel in den 1930er Jahren bei der Untersuchung von Riemanns Nachlass herausfand.[4] 1903 veröffentlichte Jørgen Pedersen Gram[5] numerische Näherungswerte für die ersten 15 im kritischen Bereich liegenden Nullstellen. Sie unterstützen (beweisen aber nicht) die Riemannsche Vermutung, ebenso wie alle weiteren Nullstellen, die später gefunden wurden und deren Anzahl Anfang der achtziger Jahre des 20. Jahrhunderts die 100-Millionen-Grenze überschritt. Im Jahr 2001 wurde mit Hilfe von Großrechnern gezeigt, dass die ersten zehn Milliarden Nullstellen der komplexen Zeta-Funktion alle die Riemannsche Vermutung erfüllen, d. h., sie liegen alle auf der Geraden mit Realteil .

Einen weiteren Meilenstein bei der numerischen Suche stellte das im August 2001 gestartete Zeta-Grid-Projekt dar. Mit Hilfe der Methode des verteilten Rechnens, an der viele Tausend Internet-Nutzer teilnahmen, wurden nach drei Jahren etwa 1 Billion Nullstellen gefunden. Das Projekt wurde inzwischen eingestellt.

Die beiden französischen Mathematiker Gourdon und Demichel starteten mit dem Verfahren von Odlyzko und Schönhage im Jahr 2004 einen neuen Versuch und hatten im Oktober 2004 die ersten 10 Billionen Nullstellen überprüft, ohne ein Gegenbeispiel zu finden. Obwohl es sich bei allen Rechnungen um numerische Verfahren handelt, zeigen diese exakt und nicht nur annähernd, dass sich die untersuchten Nullstellen auf der kritischen Geraden befinden.[6]

Viele berühmte Mathematiker haben sich an der Riemannvermutung versucht. Jacques Hadamard behauptete 1896 ohne nähere Ausführungen in seiner Arbeit Sur la distribution des zéros de la fonction ζ(s) et ses conséquences arithmétiques,[7] in der er den Primzahlsatz bewies, dass der damals kürzlich verstorbene Stieltjes die Riemannsche Vermutung bewiesen habe, ohne den Beweis zu publizieren. Stieltjes behauptete 1885 in einem Aufsatz in den Compte Rendu der Academie des Sciences einen Satz über das asymptotische Verhalten der Mertensfunktion bewiesen zu haben, aus der die Riemann-Vermutung folgt (siehe unten)[8]. Der berühmte britische Mathematiker Godfrey Harold Hardy pflegte vor der Überquerung des Ärmelkanals bei schlechtem Wetter ein Telegramm abzuschicken, in dem er behauptete, einen Beweis gefunden zu haben, dem Beispiel von Fermat folgend, der auf dem Rand eines Buches der Nachwelt überlieferte, er hätte für seine Vermutung einen Beweis, der leider zu lang sei um auf dem Rand Platz zu finden.[9] Sein Kollege John Edensor Littlewood bekam in Cambridge 1906 als Student sogar die Riemannhypothese als funktionentheoretisches Problem von seinem Professor Ernest William Barnes gestellt, ohne Verbindung zur Primzahlverteilung – diesen Zusammenhang musste Littlewood für sich entdecken und bewies in seiner Fellowship-Dissertation, dass der Primzahlsatz aus der Hypothese folgt, was aber in Kontinentaleuropa schon länger bekannt war. Wie er in seinem Buch A mathematician’s miscellany zugab, warf dies kein gutes Licht auf den damaligen Stand der Mathematik in England. Littlewood leistete aber bald darauf wichtige Beiträge zur analytischen Zahlentheorie im Zusammenhang mit der Riemannhypothese. Das Problem wurde im Jahr 1900 von David Hilbert in seiner Liste der 23 mathematischen Probleme als Jahrhundertproblem deklariert, wobei Hilbert selbst es als weniger schwierig als beispielsweise das Fermat-Problem einordnete: in einem Vortrag 1919 gab er der Hoffnung Ausdruck, dass ein Beweis noch zu seinen Lebzeiten gefunden würde, im Fall der Fermat-Vermutung vielleicht zu Lebzeiten der jüngsten Zuhörer, für am schwierigsten hielt er die Transzendenz-Beweise in seiner Problemliste – ein Problem, das in den 1930er Jahren durch Gelfond und Schneider gelöst wurde.[10] Mittlerweile sind viele der Probleme auf Hilberts Liste gelöst, nur die Riemannvermutung widerstand allen Versuchen. Da im 20. Jahrhundert kein Beweis für die Riemannsche Vermutung gefunden wurde, hat das Clay Mathematics Institute im Jahr 2000 dieses Vorhaben erneut zu einem der wichtigsten mathematischen Probleme erklärt und einen Preis von einer Million US-Dollar auf einen schlüssigen Beweis ausgesetzt, allerdings nicht für ein Gegenbeispiel.

Es gibt auch zur Riemannvermutung analoge Vermutungen für andere Zetafunktionen, die teilweise ebenfalls gut numerisch gestützt sind. Im Fall der Zetafunktion algebraischer Varietäten (der Fall der Funktionenkörper) über den komplexen Zahlen wurde die Vermutung in den 1930er Jahren von Helmut Hasse für elliptische Kurven und in den 1940er Jahren von André Weil für abelsche Varietäten und algebraische Kurven (auch über endlichen Körpern) bewiesen. Weil formulierte auch die Weil-Vermutungen, zu denen auch ein Analogon der Riemannhypothese gehört, für algebraische Varietäten (auch höherer Dimension als Kurven) über endlichen Körpern. Der Beweis wurde nach Entwicklung der modernen Methoden der algebraischen Geometrie in der Grothendieck-Schule in den 1970er Jahren von Pierre Deligne erbracht.

Neuere Beweisversuche

Im Juni 2004 hat Louis de Branges de Bourcia zum wiederholten Male einen angeblichen Beweis veröffentlicht, der derzeit kritisch geprüft wird. Bereits Jahre zuvor hat Eberhard Freitag jedoch ein Gegenbeispiel für eine im Beweis aufgestellte Behauptung gezeigt, so dass der Beweis mittlerweile als falsch angesehen wird.

Verallgemeinerte Riemannvermutung

Als verallgemeinerte oder allgemeine Riemannvermutung wird gewöhnlich die folgende Behauptung bezeichnet:[11]

Die analytische Fortsetzung der Dirichletreihe zu jedem beliebigen Dirichletcharakter (-Reihe)
hat im kritischen Streifen ausschließlich Nullstellen auf der Geraden

Aus der verallgemeinerten Riemannvermutung folgt die Riemannvermutung als Spezialfall. Andrew Granville konnte zeigen, dass die (starke) Goldbachsche Vermutung im Wesentlichen zur verallgemeinerten Riemannvermutung äquivalent ist.[11]

Verwandte Vermutungen und äquivalente Formulierungen

In der analytischen Zahlentheorie gibt es weitere Vermutungen, die mit der Riemannschen Vermutung in Beziehung stehen. Die Mertenssche Vermutung besagt, dass für alle . Dabei ist die Möbiusfunktion und die sogenannte Mertensfunktion. Die Mertenssche Vermutung ist stärker als die Riemannsche Vermutung, wurde jedoch 1985 widerlegt.[12]

In diesem Zusammenhang steht auch die wahrscheinlichkeitstheoretische Interpretation der Riemannvermutung von Arnaud Denjoy[13]. Sei eine zufällige Folge von Werten (1, -1) (das heißt, diese haben gleiche Wahrscheinlichkeit), dann gilt für jedes für die Summe (unter Verwendung der Landau-Symbole) , das heißt, der Betrag der Abweichung vom Mittelwert null wächst asymptotisch höchstens so stark wie . Setzt man für die Möbiusfunktion ein, so ist die Riemannhypothese äquivalent zu der Aussage, dass dieses asymptotische Wachstumsverhalten auch für deren Summe (die Mertensfunktion) gilt (Littlewood 1912)[14]. Die Riemannhypothese lässt sich dann als Aussage interpretieren, dass die Verteilung der Möbiusfunktion (das heißt, ob Zahlen ohne doppelte Primfaktoren eine gerade oder ungerade Anzahl von Primfaktoren haben) völlig zufällig ist.

Wie schon erwähnt, folgen aus der Riemann-Hypothese nach Helge von Koch Schranken für das Wachstum des Fehlerterms des Primzahlsatzes. Das Resultat von Koch ist aber auch äquivalent zur Riemannhypothese.[15] Aus

folgt die Riemannhypothese.

Die Lindelöfsche Vermutung über die Ordnung der Zetafunktion entlang der kritischen Geraden ist schwächer als die Riemannsche Vermutung, aber immer noch unbewiesen.

Jeffrey Lagarias stellte 1992 eine zur Riemannvermutung äquivalente Vermutung der elementaren Zahlentheorie auf.[16]

Beweisideen aus der Physik

Neue Ideen für den Beweis der Vermutung kamen aus der Physik. Schon David Hilbert und George Polya war aufgefallen, dass die Riemannhypothese folgen würde, falls die Nullstellen Eigenwerte eines Operators (1/2 + i T) wären, wobei T ein hermitescher (das heißt selbstadjungierter) Operator ist, der also nur reelle Eigenwerte hat, ähnlich wie die Hamiltonoperatoren in der Quantenmechanik. In den 1970er Jahren fand dann Hugh Montgomery bei einer Unterhaltung mit Freeman Dyson, dass die Verteilung der (normalisierten) Abstände aufeinanderfolgender Nullstellen eine ähnliche Verteilung wie die Eigenwerte unitärer Zufallsmatrizen zeigte, was Andrew Odlyzko durch numerische Rechnungen bestätigte. In den 1990er-Jahren begannen dann auch Physiker wie Michael Berry nach einem solchen zugrundeliegenden System zu suchen, etwa in der Theorie des Quantenchaos. Weitere Unterstützung finden diese Überlegungen in einer Analogie der „expliziten Formeln“ in der Theorie der riemannschen Zetafunktion mit der Selberg-Spurformel, die die Eigenwerte des Laplace-Beltrami-Operators auf einer Riemannfläche mit den Längen der geschlossenen Geodäten in Beziehung setzt, und der Gutzwiller-Spurformel in der Quantenchaos-Theorie. Diese verbindet die Eigenwerte (Energien) der quantenmechanischen Version eines chaotischen klassischen Systems mit den Längen der periodischen Bahnen im klassischen Fall. Bei all diesen Spurformeln (trace formulas) handelt es sich um Identitäten zwischen den Summen der jeweiligen Nullstellen, Bahnkurven-Periodenlängen, Eigenwerte usw.

Ein vom Fields-Medaillen-Preisträger Alain Connes 1996 angegebener Operator passt „fast“. Connes konnte aber bisher nicht die Existenz weiterer Nullstellen außerhalb der kritischen Geraden ausschließen.[17]

Eine weitere Idee aus der Physik, die in Zusammenhang mit der Riemannvermutung diskutiert wurde, sind die „Yang-Lee-Nullstellen“ der ins Komplexe analytisch fortgesetzten Zustandssumme in Modellen der statistischen Mechanik. Chen Ning Yang und Tsung-Dao Lee bewiesen unter Verwendung eines Resultats von George Polya aus der Theorie der Zetafunktion, auf das sie Mark Kac aufmerksam machte, dass in bestimmten Modellen die Nullstellen auf einem Kreis lagen, bei anderen Modellen liegen sie auf einer Geraden. Die Lage der Nullstellen bestimmt das Verhalten in Phasenübergängen ähnlich, wie die Nullstellen auf der kritischen Geraden die Feinverteilung der Primzahlen steuern.

All diesen Ideen liegt eine Analogie zugrunde, die sich vereinfacht etwa so beschreiben lässt: Die Primzahlen sind „Elementarteilchen“, die über die Multiplikation in Wechselwirkung treten und so die zusammengesetzten Zahlen aufbauen. Gleichzeitig werden die „Teilchen“ durch die Addition angeordnet. In der Zetafunktion werden nun in Form einer Summen- bzw. Produktformel beide Aspekte (additiv/natürliche Zahlen und multiplikativ/Primzahlen) miteinander verbunden.

Eine Verbindung der Riemannvermutung zu eindimensionalen Quasikristallen schlug Freeman Dyson 2009 vor.[18]

Einzelnachweise

  1. a b Bernhard Riemann: Über die Anzahl der Primzahlen unter einer gegebenen Größe. Monatsberichte der Königlichen Preußischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin, 1859. S.671–680.
  2. Helge von Koch Sur la distribution des nombres premiers, Acta Mathematica, Band 24, 1901, S. 159–182
  3. Aus Koch´s Resultat ableitbar, aber nicht umgekehrt
  4. Siegel Über Riemanns Nachlaß zur analytischen Zahlentheorie, Quellen Studien zur Geschichte der Math. Astron. und Phys. Abt. B: Studien, Band 2, 1932, S. 45–80, sowie Siegel Gesammelte Abhandlungen, Band 1, Springer Verlag, 1966
  5. Gram Sur les zéros de la fonction de Riemann, Acta Math., Band 27, 1903, S. 289–304
  6. Calculations relating to the zeros, Kapitel 15 in Titchmarsh: The Theory of the Riemann Zeta function
  7. Bulletin de la Société Mathématique de France 24 (1896), 199–220 (online), dort S. 199
  8. In Stieltjes Nachlass fand sich kein Hinweis auf diese Beweise. Derbyshire Prime Obsession, S. 160f. Die Mertensvermutung ist inzwischen widerlegt.
  9. New York Times zur Riemannvermutung, die Anekdote ist auch in der Hilbert-Biografie von Constance Reid zu finden
  10. Du Sautoy Die Musik der Primzahlen, S.147
  11. a b Granville: Refinements of Goldbach’s Conjecture..., siehe Literaturverzeichnis
  12. A. M. Odlyzko and H. J. J. te Riele: Disproof of the Mertens conjecture, J. reine angew. Math., Band 357, 1985, S. 138–160, Online-Version
  13. Denjoy: L’Hypothése de Riemann sur la distribution des zéros de , reliée à la théorie des probabilités, Comptes Rendus Acad. Sc., Band 192, 1931, S.656–658. Edwards Riemanns Zeta Function, 1974, S.268. Edwards kommentiert diese Interpretation so: though it is quite absurd when considered carefully, gives a fleeting glimmer of plausibility to the Riemann hypothesis.
  14. Littlewood: Quelques conséquences de l’hypothèse que la fonction n’a pas de zéros dans le demi-plan , Comptes Rendus, Band 154, 1912, S. 263–266. Edwards, loc. cit. S.261. Littlewood bewies genauer, dass die Riemannhypothese äquivalent zu folgender Aussage ist: Für jedes konvergiert gegen null für x gegen .
  15. Edwards Riemann’s Zeta function, Kapitel 5
  16. Lagarias An elementary problem equivalent to the Riemann hypothesis, American Mathematical Monthly, Band 109, 2002, S. 534–543
  17. Connes Trace formula in non commutative geometry and the zeros of the Riemann zeta function 1998
  18. Dyson „Birds and Frogs“, Notices AMS 2009, PDF-Datei

Literatur

  • Marcus du Sautoy: Die Musik der Primzahlen. Auf den Spuren des größten Rätsels der Mathematik. dtv/C.H. Beck, München 2003 und 2004, ISBN 3-423-34299-4 (populäre Darstellung der Geschichte der Vermutung).
  • John Derbyshire: Prime obsession – Bernhard Riemann and the greatest unsolved problem in Mathematics. Washington 2003, ISBN 0-309-08549-7.
  • Andrew Granville: Refinements of Goldbach’s Conjecture, and the generalized Riemann hypothesis. In: Functiones et Approximatio, Commentarii Mathematici. Band 37, Nr. 1. Faculty of Mathematics and Computer Science of Adam Mickiewicz University, Poznań 2007, S. 159–173 (umontreal.ca [PDF]).
  • Harold Edwards: Riemann’s Zeta Function. New York 1974, Dover 1991, ISBN 0-486-41740-9.
  • Edward Charles Titchmarsh: The Theory of the Riemann Zeta-Function. Bearbeitet von Heath-Brown. Oxford 1987, ISBN 0-19-853369-1.
  • P. Borwein, S. Choi, B. Rooney, A. Weirathmueller: The Riemann hypothesis. A resource for the afficionado and virtuoso alike. (CMS Books in Mathematics 27) Canad. Math. Soc., Springer-Verlag 2008, ISBN 978-0-387-72125-5.
  • Julian Havil: Gamma – Eulers Konstante, Primzahlstrände und die Riemannsche Vermutung, Springer Verlag 2007

Weblinks