Fela Kuti

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Fela Kuti in den 1970er Jahren

Fela Anikulapo Kuti (* 15. Oktober 1938 in Abeokuta; † 2. August 1997 in Lagos; bürgerlicher Name Olufela Olusegun Oludotun Ransome-Kuti; kurz Fela) war ein nigerianischer Musiker (unter anderem Saxophon, Trompete, Gesang), Bandleader und politischer Aktivist. Er gilt als Begründer des Afrobeat.

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Jugend und Ausbildung in London[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

1938 wurde Fela Kuti als Olufela Olusegun Oludotun Ransome-Kuti als viertes von fünf Kindern geboren.[1] Sein Vater war protestantischer Pastor und begeisterter Pianist. Seine Mutter, Funmilayo Ransome-Kuti, war eine führende Frauenrechtlerin Nigerias. Somit spielten Musik und Politik schon früh eine wichtige Rolle in seinem Leben.[2]

1958 zog Ransome-Kuti nach London, wo er auf Wunsch seiner Eltern Medizin studieren sollte. Stattdessen schrieb er sich am Trinity College of Music ein und studierte vier Jahre lang Klavier, Komposition und Musiktheorie. 1961 gründete er seine erste Band, die Koola Lobitos. Mit ihr entwickelte er den Highlife-Jazz, eine Mischung aus Jazz und dem westafrikanischen Highlife.[2] Er spielte damals fast ausschließlich Trompete.[3]

Im gleichen Jahr heiratete er Remi Taylor, mit der er die Kinder Yeni, Femi und Sola bekam.[4]

Rückkehr nach Nigeria und Erfindung des Afrobeat[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im Jahre 1962 kehrte er mit seiner Familie nach Nigeria zurück, wo er Koola Lobitos neu gründete.[2] Er jobbte als Praktikant bei einem Rundfunksender in Lagos. Aufgrund häufiger Bandauftritte nach der Arbeit konnte Fela Kuti seinen beruflichen Verpflichtungen kaum nachkommen und wurde nach wenigen Monaten entlassen. Ab diesem Zeitpunkt widmete er sich ausschließlich seiner Karriere als Bandleader. 1968 bezeichnete er die Musik seiner Band Koola Lobitos erstmals als Afro-Beat und reagierte damit auf die Unterordnung der meisten einheimischen Bandleader unter die schwarze Musik Amerikas.[5] Getrieben von der Idee, diesem Trend der einseitigen musikalischen Beeinflussung entgegenzusteuern, beschloss er, mit der Band in die USA zu gehen.

Ein zehnmonatiger Aufenthalt in den USA 1969 sollte die Geburtsstunde des Afrobeat werden. Hier lernte Fela Kuti bekannte Musiker wie James Brown, Miles Davis und Sly Stone kennen. Er traf sich mit Angela Davis, Stokely Carmichael und The Last Poets und verinnerlichte Ansichten der schwarzen Bürgerrechtsbewegung – besonders auch ihrer militanten Strömungen wie die Black Panther – er war mit der Aktivistin Sandra Smith (später Sandra Izsadore) befreundet.[1] Diese Erfahrungen flossen nun in seine Musik ein. Noch in den USA nannte er seine Band Koola Lobitos in Nigeria 70 um; wenige Jahre später wurde daraus – im Sinne des PanafrikanismusAfrika 70. Ein Bandmitglied war der Schlagzeuger Tony Allen, der zusammen mit Kuti die Musik weiterentwickelte. Die Musik der Band war jetzt eine Mischung aus Funk, Jazz und afrikanischen Einflüssen: der Afrobeat.

Nach seiner Rückkehr nach Lagos gründete Fela Kuti den (Afrika) Shrine Club, einen Nachtclub, der bald zum Mittelpunkt seiner musikalischen und politischen Aktivitäten wurde. Die dort von ihm ausgerufene Kalakuta Republic war eine Kommune, in der unter anderem ein Tonstudio stand. Hatte er bisher hauptsächlich als Saxophonist und Komponist gewirkt, so begann er nun auch zu singen. Da er bewusst auf Pidgin-Englisch und nicht in seiner Muttersprache Yoruba sang, waren seine Texte für die Bevölkerung in allen englischsprachigen Ländern Afrikas verständlich.[6] Jetzt zählte seine Gruppe bis zu vierzig Mitglieder und bestand aus mehreren Sängern, Tänzern, Saxophonisten, Trompetern, Schlagzeugern, Gitarristen und Trommlern aller Art.[7] 1973 arbeitete er mit dem südafrikanischen Trompeter und Sänger Hugh Masekela zusammen. James Brown, Stevie Wonder und Paul McCartney besuchten ihn während der Aufnahmen zu Band on the Run im Shrine.[1]

Seine Songs sind ziemlich lang, einzelne Stücke füllen die komplette Seite einer Langspielplatte. Von ihm geleitete Performances hatten den Charakter von Jamsessions, getrieben von hypnotischer Polyrhythmik mit afrikanischen Dialoggesängen und Afrorock-Monotonie.[8] Seine langen Bühnenauftritte, die von Schmähreden unterbrochen waren, und seine Weigerung, bereits aufgenommene Stücke erneut auf Konzerten zu spielen, führten letztlich zum Ausbleiben des Erfolges in den USA.[9]

Auseinandersetzungen mit der Militärregierung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Zunehmend kritisierte Fela Kuti in seinen Texten die durch die Kolonialisierung deformierten Gesellschaftssysteme in Afrika und verurteilte das diktatorische Militärregime Nigerias. Auf seinem 1976 erschienenen Album Zombie kritisierte er die Soldaten der Regierung[10] als Zombies. Aufgrund seiner Beliebtheit in der nigerianischen Bevölkerung, seiner inzwischen internationalen Bekanntheit und vor allem seiner Liedtexte stellte er eine große Bedrohung für die Regierenden dar. 1977 griffen rund 1000 Soldaten Kalakuta an, setzten es in Brand und zerstörten das Musikstudio. Kuti überlebte mit einem Schädelbasisbruch, seine 77-jährige Mutter starb jedoch an ihren Verletzungen. Kuti ließ aus Protest ihren Sarg vor den Präsidentenpalast von Olusegun Obasanjo bringen und veröffentlichte 1981 das Album Coffin for Head of State (etwa: „Sarg für Staatsoberhaupt“).[1] Er selbst floh mit seiner Band nach Ghana.

Kurz darauf konnte er in das nun zivil regierte Nigeria zurückkehren. Er änderte seinen zweiten Familiennamen Ransome, den er als Sklavennamen ansah, in den Namen Anikulapo (etwa: „Der den Tod im Beutel trägt“, also unsterblich ist) und initiierte eine neue Band, die Egypt 80.

Am 20. Februar 1978, genau ein Jahr nach dem Angriff auf die Kalakuta Republic, heiratete Kuti in einer Massenzeremonie 27 seiner Background-Sängerinnen und Tänzerinnen, die sogenannten „Queens“.[4]

1979 gründete Kuti seine eigene Partei, das Movement of the People, kurz MOP.[2] 1984 wurde Kuti von der nun wiederum militärischen Regierung unter Muhammadu Buhari wegen angeblicher Devisenvergehen zu zehn Jahren Haft verurteilt.[2] Amnesty International erklärte ihn zum prisoner of conscience und setzte sich in der Folge für ihn ein. Er wurde nach einem erneuten Militärputsch durch Ibrahim Babangida 18 Monate nach Haftbeginn wieder freigelassen. Trotz der immer wiederkehrenden Drohungen, Verfolgungen, Verhaftungen und der Anwendung von körperlicher Gewalt durch die nigerianische Regierung setzte er seine Kritik fort und prangerte immer wieder die unterdrückenden Zustände in seiner Heimat an. Seine Musik sorgte in der Bevölkerung für viel Furore und Kritik am herrschenden System. Die Zeitschrift Rolling Stone bezeichnete ihn als den „gefährlichsten Musiker der Welt“. 1993 wurden er und vier seiner Angestellten wegen Mordes festgenommen, nachdem in Kutis Haus angeblich eine Leiche gefunden wurde. Kuti habe seinen Angestellten den Auftrag gegeben, einem Mann, der für Fela Kuti Elektronikarbeiten ausführen sollte und diesem dabei Geld gestohlen habe, zu Tode zu prügeln.[11][12]

Fela Kuti bezeichnete sich selbst als antikolonialistischen Panafrikaner. Er wird jedoch von Kritikern auch als ein demagogischer, sexistischer Fundamentalist gesehen. Seine Rolle als angeblicher Wiederentdecker traditioneller afrikanischer Werte gab ihm den Vorwand, Frauen als verfügbare Ware zu betrachten. Er gab wiederholt in Interviews und Liedtexten entsprechende Statements von sich wie: „Frauen sind Matratzen“. Homosexualität dämonisierte er als Strafe für ein früheres schlimmes Leben.[1]

Krankheit und Tod[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In den 1990er Jahren erkrankte Kuti an AIDS, an dessen Folgen er am 2. August 1997 starb. Die Existenz der Erkrankung hatte Kuti stets abgestritten (siehe Aids-Leugnung). Kondome waren seiner Meinung nach das Mittel einer weißen Verschwörung, deren Ziel die Reduzierung der schwarzen Geburtenrate sei.[13] Erst kurz vor seinem Tod erklärte er sich bereit, sich ins Krankenhaus einliefern zu lassen. Aufgrund seines Zustandes war er nicht mehr in der Lage, die Diagnose „HIV-positiv“ zur Kenntnis zu nehmen.[14] Zu seiner Aufbahrung im Stadion in Lagos kamen über eine Million Menschen.

Familie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einer seiner Brüder war der Menschenrechtler und Arzt Bekololari Ransome-Kuti (1940–2006). Ein anderer Bruder, Olikoye Ransome-Kuti, war Gesundheitsminister und später – noch vor Fela Kutis Tod – als Anti-AIDS-Aktivist tätig. Der erste Literaturnobelpreisträger Afrikas ist Kutis Cousin ersten Grades Wole Soyinka.[15]

Vermächtnis[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Fela-Kuti-Statue an der Ppebi Road in Lagos Ikeja

Bis zu seinem Tod hatte Kuti über 50 Alben produziert, von denen viele auch internationale Anerkennung erhielten. Seine Musik und seine Texte sind immer noch Diskussionsthema. Den musikalischen Widerstand und die Tradition des Afrobeats führen unter anderen seine Söhne Femi Kuti und Seun Kuti und sein ehemaliger Schlagzeuger Tony Allen fort[16] sowie junge Bands aus zahlreichen Ländern, zum Beispiel das Antibalas Afrobeat Orchestra aus New York.[13]

2000 eröffnete Femi Kuti in Lagos in Erinnerung an den Afrika Shrine den New Afrika Shrine. Dort findet jährlich auf Initiative von Fela Kutis Tochter Yeni Anikulapo-Kuti die Felabration statt, ein Festival mit internationalen Gruppen, Symposien und Fotoausstellungen. Zeitpunkt ist jeweils die Woche um Fela Kutis Geburtstag im Oktober. Seit dem Jahr 2000 wurden Fela Kutis Alben neu herausgegeben. 2013 legte das Label KFR elf CDs mit einer Auswahl der Werke Kutis auf.[17] Weitere Alben erschienen als Schallplatten.[1]

Der Münchner Musiker, Dramaturg und Kulturanthropologe Julian Warner wählte für seine Musik das Pseudonym „Fehler Kuti“ in Anspielung auf Fela Kuti.[18]

Diskografie (Auswahl)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Jahr Titel Label
1969 the ’69 los angeles sessions Stern’s (veröffentlicht 1994)
1971 Live ! (with Ginger Baker) Regal Zonophone / Pathe Marconi / EMI / HÖRZU SHZE 342
1971 Why Black Man Dey Suffer EMI / Decca Afrodesia
1972 Stratavarious (mit Ginger Baker) Polydor / Atco
1972 Na Poi EMI HMV
1972 Open & Close EMI / Pathe Marconi
1972 Shakara EMI / Editions Makossa / Pathe Marconi / Creole
1972 Roforofo Fight Jofabro / Editions Makossa / Pathe Marconi
1973 Afrodisiac EMI/ Regal Zonophone / Pathe Marconi
1973 Gentleman EMI / Pathe Marconi / Creole
1974 Alagbon Close Jofabro / Editions Makossa
1975 Noise for Vendor Mouth Afrobeat
1975 Confusion EMI / Pathe Marconi
1975 Everything Scatter Coconut / Creole
1975 He Miss Road EMI / Pathe Marconi
1975 Expensive Shit Soundwork Shop / Editions Makossa
1976 No Bread Soundwork Shop / Editions Makossa
1976 Kalakuta Show Kalakuta / Editions Makossa
1976 Upside Down Decca Afrodisia
1976 Ikoyi Blindness Africa Music
1976 Before I Jump Like Monkey Give Me Banana Coconut
1976 Excuse O Coconut
1976 Zombie Coconut / Creole / Mercury
1976 Yellow Fever Decca Afrodesia
1977 Opposite People Decca Afrodesia
1977 Fear Not For Man Decca Afrodesia
1977 Stalemate Decca Afrodesia
1977 Observation No Crime Decca Afrodesia
1977 Johnny Just Drop (J.J.D Live! at Kalakuta Republic) Decca Afrodesia
1977 I Go Shout Plenty Decca Afrodesia
1977 No Agreement Decca Afrodesia / Barclay / Celluloid
1977 Sorrow, Tears and Blood Kalakuta
1978 Shuffering and Shmiling Coconut / Celluloid
1979 Unknown Soldier Phonodisk / Uno Melodic
1979 I.T.T. (International Thief Thief) Kalakuta
1980 Music of Many Colours (mit Roy Ayers) Phonodisk / Celluloid
1980 Authority Stealing Kalakuta
1981 Black President Capitol
1981 Original Sufferhead Lagos International / Arista
1981 Coffin for Head of State Kalakuta
1983 Perambulator Lagos International
1983 Live In Amsterdam Wrasse
1985 Army Arrangement Kalakuta / Celluloid
1986 Teacher Don’t Teach Me Nonsense Polygram / Barclay
1989 Beasts of No Nation Kalakuta / Eurobound / Shanachie
1989 O.D.O.O. (Overtake Don Overtake Overtake) Kalakuta / Shanachie
1990 Confusion Break Bones Kalakuta
1990 Just Like That Kalakuta
1992 Underground System Kalakuta / Sterns

Dokumentarfilme[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Musical[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Carlos Moore: Fela, Fela! This Bitch of a Life. Autorisierte Biografie. Allison & Busby, London 1982.
  • Michael E. Veal: Fela. Life and Times of an African Musical Icon. Temple University Press, Philadelphia 1997.
  • Rolf Brockmann, Gerd Hötter: Szene Lagos. Reise in eine afrikanische Kulturmetropole. Trickster, München 1994, ISBN 3-923804-75-X, S. 15–48.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Fela Kuti – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Musikbeispiele[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b c d e f Harald Peters: Die unaufhaltsame Renaissance des Afrobeat. welt.de vom 27. Oktober 2015, abgerufen am 17. Mai 2016.
  2. a b c d e Biografie bei allmusic.com (englisch), abgerufen am 18. Mai 2016.
  3. 10 best songs: Fela Kuti. theguardian.com vom 5. Mai 2016 (englisch), abgerufen am 18. Mai 2016.
  4. a b Josephine Agbonkhese: Fela, his many women. In: Vanguard. 19. Oktober 2018, abgerufen am 5. Juni 2021 (englisch).
  5. Colin Larkin (Hrsg.): The Virgin Encyclopedia of Popular Music. Virgin Books, London 2002, ISBN 1-85227-923-0, S. 721.
  6. The Afro-Beat goes on and on. marcosolo.antville.org vom 4. August 2002 (englisch), abgerufen am 16. Mai 2016.
  7. Biografie bei laut.de
  8. Christian Graf, Burghard Rausch: Rockmusiklexikon. Amerika, Afrika, Asien, Australien. Band 2. Fischer, Frankfurt am Main 2002, ISBN 3-596-15870-2, S. 952.
  9. Eintrag bei encyclopedia.com
  10. Fela Kuti – Zombie Lyrics | MetroLyrics. In: www.metrolyrics.com. Abgerufen am 18. September 2016.
  11. Nigerian musician Fela charged with murder. The Washington Post vom 26. Januar 1993 (englisch), abgerufen am 18. Mai 2016.
  12. Fela Kuti, ein Volksheld vor Gericht taz vom 16. März 1993, abgerufen am 1. November 2023.
  13. a b Noe Noack: Der König des Afrobeat. In: Bayerischer Rundfunk. 14. Oktober 2013, abgerufen am 5. Juni 2021.
  14. A tale of two brothers. (englisch)
  15. Interview mit Soyinka bei achievement.org (Memento vom 3. Januar 2014 im Internet Archive) (englisch)
  16. Susanne Amatosero: Eine Lange Nacht über Afrobeat – Lagos tanzt. 2. Januar 2016, abgerufen am 5. Juni 2021.
  17. Aktivist, Komponist, Polygamist in FAZ vom 14. Mai 2013, S. 26.
  18. Bayerischer Rundfunk Ralf Summer: Fehler Kuti im Interview: „Wir dürfen die Kritik an Identitätspolitik nicht den Wagenknechts, Stegemanns oder der AfD überlassen“. 1. Juli 2021 (br.de [abgerufen am 20. August 2021]).
  19. Eintrag bei imdb.com, abgerufen am 18. Mai 2016.