Mary Gerold

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Mary Alice Lilly Gerold (* 15. Novemberjul. / 27. November 1898greg.[1] in Mordangen (lettisch: Mordanga) bei Talsen, Gouvernement Kurland, Russisches Kaiserreich; † 16. Oktober 1987 in Kreuth) war von 1924 bis 1933 die zweite Ehefrau Kurt Tucholskys und nach dessen Tod 1935 seine Nachlassverwalterin. Sie betreute das literarische Werk ihres Ex-Mannes bis zu ihrem eigenen Tod, gab seine Briefe heraus und gründete sowohl das Kurt-Tucholsky-Archiv als auch die Kurt-Tucholsky-Stiftung.

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Mary Gerold stammte aus einer bürgerlichen deutschbaltischen Rigaer Familie. Sie lernte Tucholsky während des Ersten Weltkriegs kennen, als sie als Hilfsdienstfreiwillige in der Artillerie-Fliegerschule Ost in Alt-Autz in Kurland eingesetzt war. Sie sah Tucholsky erst nach den Wirren der Nachkriegszeit im Januar 1920 in Berlin wieder, die beiden hatten zuvor aber intensiven Briefkontakt, und Tucholsky löste seine langwährende Verlobung mit Kitty Frankfurter. Zum Zeitpunkt des Wiedertreffens lebte Tucholsky mit Else Weil zusammen, die er im Mai 1920 heiratete. Trotz der Heirat hielt er die Beziehung zu Mary Gerold aufrecht. Nach dem Scheitern der Ehe zwischen Tucholsky und Else Weil heirateten Tucholsky und Mary Gerold am 30. August 1924. Diese Ehe bestand bis zum 21. August 1933. Obwohl sie die Frau seines Lebens war, lebten sie nur phasenweise zusammen, standen jedoch bis zur Scheidung immer in Briefkontakt, auch während der Zeiten, als Tucholsky Beziehungen mit anderen Frauen einging. Im November 1935, kurz vor seinem Tod, schrieb er ihr einen bewegenden Brief und setzte sie kurz darauf als Alleinerbin ein. In dem Brief schrieb Tucholsky über sich selbst und seine zweite Frau: „Hat einen Goldklumpen in der Hand gehabt und sich nach Rechenpfennigen gebückt; hat nicht verstanden und hat Dummheiten gemacht, hat zwar nicht verraten, aber betrogen, und hat nicht verstanden.“

Mary Gerold baute unter dem Namen Mary Tucholsky nach 1945 in Rottach-Egern am Tegernsee in Bayern ein Kurt-Tucholsky-Archiv auf, das sie jahrzehntelang mit großer Hingabe betreute. 1969 übergab sie das Kurt-Tucholsky-Archiv an das Deutsche Literaturarchiv Marbach.[2] Ihr Anliegen war in erster Linie, der Nachwelt das schriftstellerische Werk Tucholskys zu bewahren und zugänglich zu machen. Sie gab aber auch die an sie gerichteten Briefe Tucholskys zunächst in gekürzter, später in vollständiger Form heraus. Ihre eigenen Briefe dagegen sind bis über ihren Tod hinaus unveröffentlicht, mit Ausnahme einiger Zitate in einer Monografie von 1993 und teils umfangreichen Zitaten in den Kommentaren in der Tucholsky-Gesamtausgabe.

Nach ihrem Tod gingen die Rechte an Tucholskys Werk auf die Kurt-Tucholsky-Stiftung in Hamburg über, die Mary Gerold 1969 zusammen mit Fritz J. Raddatz gegründet hatte. Ein Versuch seitens der DDR, die Rechte für die Akademie der Künste in Berlin zu sichern, schlug fehl.[3] Ihr Grab befindet sich auf dem Friedhof bei der evangelischen Auferstehungskirche von Rottach-Egern.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Peter Lang (Hrsg.), Exil im Nebelland. Elisabeth Castoniers Briefe an Mary Tucholsky, Hrsg. Peter Lang AG, Internationaler Verlag der Wissenschaften Bern, 2011, ISBN 978-3-039-10037-8.
  • Fritz J. Raddatz: Unruhestifter. Erinnerungen. Ullstein Heyne List, München 2003, ISBN 978-3-549071-98-4.
  • Klaus Bellin: Es war wie Glas zwischen uns. Die Geschichte von Mary und Kurt Tucholsky. Verlag für Berlin-Brandenburg, Berlin 2010, ISBN 978-3-866-50039-6 (Neuauflage, Klappenbroschur, Berlin 2011, ISBN 978-3-942476-19-5).
  • Fritz J. Raddatz: „Dann wird aus Zwein: Wir beide“. Kurt Tucholsky und Mary Gerold. Herder, Freiburg 2015, ISBN 978-3-451-06760-0.
  • Kurt Tucholsky: Unser ungelebtes Leben. Briefe an Mary. Hrsg. von Fritz J. Raddatz. Rowohlt Verlag, Reinbek 1982, ISBN 978-3-498-06473-0.
  • Kurt Tucholsky: Gesamtausgabe. Texte und Briefe Bde. 16–20. Rowohlt Verlag, Reinbek 2005–2008 (dort Briefe von Tucholsky an sie komplett, soweit vorliegend; in den Kommentaren zahlreiche Auszüge aus ihren Tagebüchern und Briefen an Tucholsky).

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Eintrag im Taufregister der Gemeinde Rönnen (Memento vom 29. Oktober 2019 im Internet Archive) (lettisch: Renda)
  2. Ergebnisanzeige für Mary Gerold der Bibliothekssuche am DLA Marbach
  3. BStU, MfS, AIM 9195/91 Bd. 1, Bl. 24