Wheeler Shale

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Der Wheeler Shale, oft auch als Wheeler-Formation bezeichnet, ist eine Gesteinsformation im US-amerikanischen Bundesstaat Utah. Sie entstand im mittleren Kambrium vor zirka 507 Millionen Jahren und enthält eine Konzentratlagerstätte mit außergewöhnlich gut erhaltenen Fossilien.

Weltberühmtheit[1][2] erlangte der Wheeler Shale durch Funde hervorragend erhaltener Trilobiten, beispielsweise Elrathia kingii (Staatsfossil von Utah), sowie verschiedener Vertreter der Agnostiden. Auch Organismen ohne mineralisches Skelett, etwa Naraoia (Familie Naraoiidae), Wiwaxia und Hallucigenia, sind im Wheeler Shale erhalten. Der Erhaltungsmodus (kohlenstoffreicher, filmartiger Überzug) dieser „Weichkörperfauna“ erinnert an die Konservatlagerstätten[3] des Burgess-Schiefer-Typus.[2]

Namensgebung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Wheeler Shale wurde 1908 von Charles Walcott nach seiner Typlokalität benannt, dem Wheeler-Amphitheater, einer halbkreisförmigen Geländevertiefung in der nordöstlichen House Range. Das Wheeler-Amphitheater hatte seinerseits wie viele andere Örtlichkeiten des US-amerikanischen Südwestens seinen Namen zu Ehren des Offiziers und Landvermessers George Montague Wheeler erhalten.

Vorkommen und geologischer Rahmen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Wheeler-Formation in West-Utah erstreckt sich vom Höhenzug der House Range (im Millard County) rund 40 Kilometer nach Nordosten bis hin zu den Drum Mountains (im Juab County). Auch die Drum Mountains führen ähnliche Versteinerungen mit vergleichbarem Erhaltungszustand.[4] Ein kleineres Vorkommen befindet sich noch in den Canyon Mountains Zentralutahs. Bei den genannten Höhenzügen handelt es sich um herausgehobene Horste, die geologisch zur östlichen Basin and Range gehören. In ihnen treten jetzt die sonst überdeckten kambrischen Sedimentfolgen weitgehend zu Tage. Durch die neogene Dehnungstektonik wurde der Schichtenverband zum Teil verkippt – in der House Range z. B. streichen die Sedimente daher meist Nordnordost bis Nordost und fallen flach (10 bis 20°) nach Osten ein.

Fazies[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Sedimente des Wheeler Shales sind tropisch-marinen Ursprungs und wurden am rund 300 Kilometer breiten, passiven Kontinentalrand Laurentias in einer Meeresbucht, der House Range Embayment (HRE)[5] abgelagert. Der durch das Einsinken des Kontinentalrandes allmählich ansteigende Meeresspiegel wird durch absinkende δ13C-Werte dokumentiert. Das relativ sauerstoffarme Becken der House Range Embayment war sehr wahrscheinlich von Verwerfungen vorgezeichnet und lag in unmittelbarer Nähe des breiten laurentischen Karbonatschelfs. Im Wheeler Shale sind daher gleichzeitig mehrere sedimentäre Fazies anzutreffen: In den Drum Mountains, deren Ablagerungsbereich relativ nahe am Schelfrand lag, kam eine karbonatreiche Schelf- und Schelfrandfazies zur Ablagerung, wohingegen im Bereich der House Range die Beckenfazies dominiert.

Lithologie und Stratigraphie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der meist oliv- bis dunkelfarbene Wheeler Shale besteht überwiegend aus homogenen, feinkörnigen Schiefertonen (Schwarzschiefersedimente mit Korngrößen unter 50 μm und einem Karbonatgehalt von 17 bis 47 Gewichtsprozent), in die dünnbankige Karbonatlagen eingeschaltet sein können. Er kam unterhalb der Wellenbasis als niedrigenergetisches Sediment unter anoxischen Bedingungen zur Ablagerung. Die Karbonatkomponente lässt sich durch den nahegelegenen Schelfrand erklären.

Das Profil an der Typlokalität in der House Range besteht aus heterogenen Ablagerungen von Kalkmergeln, Mergelkalken, Tonsteinen und dünnbankigen Plattenkalken.[4] In den Drum Mountains finden sich als Schelfbeckensedimente fleckige, dünnschichtige Sparite, im offenen Schelfbereich Rhythmite und in anschließenden tieferen Hanglagen Tonsteine.

Am Marjum Pass Koordinaten: 39° 15′ 0″ N, 113° 20′ 0″ W in der House Range erreicht der Wheeler Shale eine Mächtigkeit von 190 Meter, in den 40 Kilometer weiter nordostwärts gelegenen Drum Mountains steigt die Mächtigkeit bis auf 306 Meter an.[6] Stratigraphisch folgt er auf die resistente Kalkformation des Swasey Limestones, von der er sich mit seinen weitaus sanfteren Geländeformen deutlich absetzt. Zusammen mit der überlagernden Marjum-Formation und der darauf folgenden unteren Weeks-Formation stellt er eine der mächtigsten, bestens aufgeschlossenen und fossilreichsten mittelkambrischen Abfolgen Nordamerikas dar.[7]

Biostratigraphisch liegt der Wheeler Shale innerhalb der laurentischen Trilobitenzone Bolaspidella. In ihm dokumentiert sich außerdem 62 Meter über seiner Basis das erstmalige Auftreten des Trilobiten Acidusus atavus (Ptychagnostus atavus), der Ptychagnostus gibbus ablöst (Beginn des Drumiums).[8] Zehn Meter höher liegt eine negative Kohlenstoffisotopenanomalie, die mit einem Transgressionshöchststand einhergeht.

Fauna[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die aufgefundene Fauna setzt sich zusammen aus Algen, Ringelwürmern, diversen Gliederfüßern (z. B. Anomalocariden, Emeraldella, Phyllocariden), Brachiopoden, Carpoiden, Chancelloriden, Eocrinoideen, Priapuliden, Quallen, Schwämmen, primitiven Stachelhäutern, Trilobiten und Trilobitenähnlichen.[9][4][10][11][12][13]

Seltene Mikrofossilien sind Acritarchen, Conodonten und Radiolarien.

Taphonomie und Biofazies[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Eigenartigerweise treten Hartschaler wie Trilobiten und Organismen mit Weichkörpererhaltung nie miteinander in der gleichen Schicht auf.[14] Gaines und Droser (2005)[15] erklären diesen Sachverhalt mit dem Sauerstoffgehalt des Meerwassers in Bodennähe sowie mit dem Grad der Bioturbation. So fand die Weichkörpererhaltung in tieferen, anaeroben Beckenabschnitten unter minimaler Bioturbation statt. Die Hartschaler hingegen finden sich in höher gelegenen dysaeroben Bereichen, die stärker durchwühlt wurden. Das Auftreten von Elrathia kingi(i) kennzeichnet den Übergang. Eine Ausnahme in diesem Schema stellen die Agnostiden dar, die als planktonisch lebende Organismen überall vorkommen können.

Im Einzelnen lassen sich folgende Biofazies unterscheiden (geordnet nach zunehmender Wassertiefe bzw. sinkendem Sauerstoffgehalt oder geringerer Durchwühlung):

Biofazies Sauerstoffgehalt Bioturbation Taphozönose
Bolaspidella dysaerobisch einheitlich gut durchwühlt verarmt – Bolaspidella
Asaphiscus dysaerobisch schwach durchwühlt diverse Trilobiten – Asaphiscus, Alokistocare, Olenoides
Elrathia exaerobisch einsetzende Bioturbation monospezifisch – Elrathia kingii
Proximale Weichkörperfazies anaerobisch nicht vorhanden Metazoa
Distale Weichkörperfazies anaerobisch nicht vorhanden pelagische Algen – Marpolia spissa
pelagische Trilobiten – Brachyaspidion microps

Fauna nach Stämmen geordnet[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Algen und Cyanobakterien („Blaualgen“)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Stamm Arthropoda (Gliederfüßer)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Stamm Arthropoda – Arachnomorpha[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Stamm Arthropoda – Klasse Trilobita[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Asaphiscus wheeleri, Mittelkambrium, Wheeler Shale, Utah
Elrathia kingii, Mittelkambrium, Wheeler Shale, Utah

Stamm Brachiopoda (Armfüßer)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Stamm Chordata (Chordatiere)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Stamm Cnidaria (Nesseltiere)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Stamm Lobopodia (Lobopoden)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Stamm Mollusca (Weichtiere)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Stamm Echinodermata (Stachelhäuter)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Stamm Porifera (Schwämme)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Stamm Priapulida (Priapswürmer)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Taxa mit unsicherer Zuordnung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Galerie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Kirk Johnson & Ray Troll: Cruising the fossil freeway: An epoch tale of a scientist and an artist on the ultimate 5,000-Mile paleo road trip. Fulcrum Publishing, Golden, Colorado 2007, ISBN 978-1-55591-451-6.
  2. a b Robert R. Gaines, Derek E. G. Briggs, Zhao Yuanlong: Cambrian Burgess Shale–type deposits share a common mode of fossilization. In: Geology. 36. Jahrgang, 2008, S. 755–758, doi:10.1130/G24961A.1.
  3. Robert R. Gaines: A New Hypothesis for Organic Preservation of Burgess Shale Taxa in the Middle Cambrian Wheeler Formation, House Range, Utah. In: Palaeogeography Palaeoclimatology Palaeoecology. 220. Jahrgang, 2005, S. 193–205, doi:10.1016/j.palaeo.2004.07.034.
  4. a b c L.F. Gunther & V.G. Gunther: Some Middle Cambrian Fossils of Utah. In: Brigham Young University Geology Studies. 28. Jahrgang, 1981, S. 1–81.
  5. Rees, M.N.: A fault-controlled trough through a carbonate platform: the middle Cambrian House Range embayment. In: GSA Bulletin. 97. Jahrgang, 1986, S. 1054–1069.
  6. Langenburg, E.S. and Liddell, W.D. and Dehler, C.M. 2002. Geochemistry And Sequence Stratigraphy of the Middle Cambrian Wheeler Formation: Support for Trilobite Chronostratigraphy. Geol. Soc. Am. Abstr. w/ Prog. 33
  7. R.A. Robison: Late Middle Cambrian faunas from western Utah. In: Journal of Paleontology. 38. Jahrgang, 1964, S. 510–566 (geoscienceworld.org).
  8. Loren E. Babcock, Richard A. Robison, Margaret N. Rees, Shanchi Peng, Matthew R. Saltzman (2007): The Global boundary Stratotype Section and Point (GSSP) of the Drumian Stage (Cambrian) in the Drum Mountains, Utah, USA. Episodes 30 (2): 85–95. PDF bei stratigraphy.org
  9. D.E.G. Briggs & R.A. Robison: Exceptionally preserved nontrilobite arthropods and Anomalocaris from the Middle Cambrian of Utah. The Paleontological Institute, The University of Kansas, 1984 (Online).
  10. Photos of Wheeler Shale fossils from UC Berkeley
  11. J.K. Rigby: Porifera of the Middle Cambrian Wheeler Shale, from the Wheeler Amphitheater, House Range, in western Utah. In: Journal of Paleontology. 52. Jahrgang, Nr. 6, 1978, S. 1325–1345.
  12. Utah's Cambrian Life from University of Kansas Natural History Museum
  13. Comprehensive treatment from The Virtual Fossil Museum
  14. Gaines u. a.: Taphonomy of soft-bodied preservation and ptychopariid Lagerstätte in the Wheeler Shale (Middle Cambrian), House Range, USA; controls and implications. In: PaleoBios. 21 (Suppl.2). Jahrgang, 2001, S. 1–55 (berkeley.edu).
  15. Robert R.Gaines, Mary L.Droser: New Approaches to Understanding the Mechanics of Burgess Shale-type Preservation: From the Micron Scale to the Global Picture. In: The Sedimentary Record. 3 N°2. Jahrgang, 2005, S. 4–8 (claremont.edu).
  16. Foto des Holotyps (und bisher einzigen Exemplars) von Cambropodus gracilis