Zensusgesetz 2011

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Basisdaten
Titel: Gesetz über den registergestützten Zensus im Jahre 2011
Kurztitel: Zensusgesetz 2011
Abkürzung: ZensG 2011
Art: Bundesgesetz
Geltungsbereich: Bundesrepublik Deutschland
Rechtsmaterie: Verwaltungsrecht
Fundstellennachweis: 29-37
Erlassen am: 8. Juli 2009 (BGBl. I S. 1781)
Inkrafttreten am: 16. Juli 2009
Bitte den Hinweis zur geltenden Gesetzesfassung beachten.

Das bundesdeutsche Zensusgesetz 2011 regelt die Durchführung der EU-weiten Volkszählung im Jahre 2011. Das Gesetz ist als Artikel 1 des Gesetzes zur Anordnung des Zensus 2011 sowie zur Änderung von Statistikgesetzen am 16. Juli 2009 in Kraft getreten.

Mit dem Zensusgesetz wird die EG-Verordnung 763/2008[1], die eine Datenerhebung alle zehn Jahre vorsieht, in deutsches Recht umgesetzt. Es regelt die Erhebungsmerkmale (z. B. Alter, Geschlecht, Schulabschluss oder Wohnfläche), definiert die Auskunftspflichtigen und trifft Aussagen zu Zusammenführungen der Erhebungsteile sowie Löschungsfristen für Hilfsmerkmale.

Entstehung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die politische Auseinandersetzung um dieses Gesetz war geprägt von der Frage der Verteilung finanzieller Lasten zwischen Bund und Ländern[2], die auch Thema der 187. Sitzung der Innenministerkonferenz war und in dem Beschluss mündete, BMI und IMK mögen „möglichst rasch eine unabhängige Kostenkalkulation durch die Rechnungshöfe von Bund und Ländern veranlassen, damit eine angemessene Kostenbeteiligung des Bundes erreicht werden kann.“[3]

Das Bundeskabinett beschloss am 3. Dezember 2008 einen Gesetzentwurf „zur Anordnung des Zensus 2011 sowie zur Änderung von Statistikgesetzen“.[4][5] Dieser sah eine Eins-zu-eins-Umsetzung der von der EU geforderten Pflichtmerkmale vor. Im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens wurde der Gesetzentwurf umgehend dem Bundesrat zugeleitet, der sich damit am 13. Februar 2009 befasste.[6] Die Länder kritisierten am Regierungsentwurf die Einrichtung eines Referenzdatenbestandes auf Bundesebene und zweifeln die Realisierbarkeit eines ihrer Meinung nach „bislang noch nie angewandten Datenbanksystems“ an. Darüber hinaus fordert der Bundesrat im Rahmen der ergänzenden Haushaltestichprobe die Religionszugehörigkeit als Erhebungsmerkmal aufzunehmen. Schließlich forderten die Länder, „dass sich der Bund zur Hälfte an den Kosten der rund 528 Millionen teuren Erhebung beteiligt.“[7] Entgegen den Empfehlungen seiner Ausschüsse verwarf der Bundesrat die Forderungen nach Fragen zu Miete, Energie und Leerstand im Rahmen der Gebäude- und Wohnungszählung. D. h. mit Ausnahme des Merkmals Religionszugehörigkeit sieht auch der Beschluss des Bundesrates die Eins-zu-eins-Umsetzung der EU-Vorgaben vor.[8]

Der Regierungsentwurf des Zensusgesetzes 2011 wurde am 19. März 2009 in erster Lesung im Bundestag beraten und dabei an insgesamt sieben Ausschüsse verwiesen, wobei der Innenausschuss die Federführung hat.[9] Als Themen wurden Religionszugehörigkeit und Migrationshintergrund genannt.[10]

Regelungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Zensusgesetz 2011 legte den Stichtag der Erhebung auf den 9. Mai 2011 fest (§ 1), definiert die Erhebungseinheiten (§ 2, z. B. Personen und Haushalte, Gebäude mit Wohnraum) und bestimmt die Begrifflichkeiten (z. B. amtliche Einwohnerzahl, Wohnung).

Für die einzelnen Erhebungsteile (z. B. § 3 Auswertung der Melderegister, § 6 Gebäude- und Wohnungszählung, § 7 Haushaltebefragung auf Stichprobenbasis) werden die Merkmale festgeschrieben und es wird geregelt, wie diese zusammengeführt werden dürfen (§ 9).

Mit Ausnahme der Frage zum Bekenntnis zu einer Religion, Glaubensrichtung oder Weltanschauung im Rahmen der Haushaltestichprobe gilt ansonsten durchgängig die Auskunftspflicht (§ 18).

Die Hilfsmerkmale (z. B. Name, Anschrift) müssen spätestens vier Jahre nach dem Berichtszeitpunkt gelöscht werden (§ 19).

Der Bund gewährte den Ländern zum Ausgleich der Kosten der Vorbereitung und der Durchführung des registergestützten Zensus am 1. Juli 2011 eine Finanzzuweisung in Höhe von 250 Millionen Euro (§ 25).

Weitere Details zu Art, Umfang und Verteilung der Erhebungen sind in der Stichprobenverordnung Zensusgesetz 2011 vom 25. Juni 2010 (BGBl. I S. 830)[11] geregelt.

Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Am 16. Juli 2010 reichte der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung eine Verfassungsbeschwerde mit mehr als 10.000 Unterstützer-Unterschriften ein.[12] Diese wurde jedoch vom Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 21. September 2010 nicht zur Entscheidung angenommen.[13] Zur Begründung wird angeführt, dass die Verfassungsbeschwerde nicht den Anforderungen, welche das Bundesverfassungsgerichtsgesetz an die Begründung einer Verfassungsbeschwerde stellt, genüge.

In seinem Urteil vom 19. September 2018 hält das Bundesverfassungsgericht die vom Senat von Berlin und dem Senat der Freien und Hansestadt Hamburg im Wege der Normenkontrolle gerügten Vorschriften des Zensusgesetzes 2011, des Zensusvorbereitungsgesetzes 2011 sowie der Stichprobenverordnung Zensusgesetz 2011,[14] insbesondere die Feststellung der amtlichen Einwohnerzahlen anhand einer maßgeblich auf vorhandene Registerdaten gestützten Erhebung statt einer traditionellen Volkszählung für mit dem Grundgesetz vereinbar.[15][16]

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Verordnung (EG) Nr. 763/2008 (PDF) des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. Juli 2008 über Volks- und Wohnungszählungen
  2. Schönbohm droht mit Scheitern der Volkszählung Welt-Online vom 14. November 2008, 19:07 Uhr
  3. Bundesrat: Beschlüsse der 187. Sitzung der Innenministerkonferenz (Memento vom 24. Februar 2009 im Internet Archive) Potsdam, 21. November 2008
  4. Entwurf eines Gesetzes zur Anordnung des Zensus 2011 sowie zur Änderung von Statistikgesetzen vom 3. Dezember 2008, in BT-Drucksache 16/12219 vom 4. März 2009 (PDF, 620 kB)
  5. Bundesministerium des Innern: Kabinett beschließt Zensusgesetz 2011 (Memento vom 25. Februar 2016 im Internet Archive) Pressemitteilung vom 3. Dezember 2008
  6. Bundesrat: Empfehlungen der Ausschüsse In - AS - FS - Fz - U - Wo zu Punkt 23 der 854. Sitzung des Bundesrates am 13. Februar 2009 (Memento vom 20. Juni 2013 im Internet Archive) (pdf, 158 KB)
  7. Bundesrat: Zahlreiche Korrekturen am Zensus 2011 (Memento vom 3. Juni 2010 im Internet Archive), Pressemitteilung 16/2009 vom 13. Februar 2009
  8. Bundesrat: Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Anordnung des Zensus 2011 sowie zur Änderung von Statistikgesetzen (Memento vom 20. Juni 2013 im Internet Archive) (pdf, 134kB), Drucksache 3/09 (Beschluss) vom 13. Februar 2009
  9. Deutscher Bundestag: Stenografischer Bericht der 211. Sitzung (PDF, 3,1 MB), Berlin, 19. März 2009, S. 22895(B) - 22899(C).
  10. heise online: Ausweitung der Volkszählung: "Wunschkonzert" oder notwendige Statistik?, Meldung vom 20. März 2009
  11. Stichprobenverordnung Zensusgesetz 2011
  12. Jürgen Kuri: Mehr als 10.000 Unterstützer für Verfassungsbeschwerde gegen Volkszählung heise.de, 7. Juli 2010
  13. BVerfG, Beschluss vom 21. September 2010 - 1 BvR 1865/10
  14. BGBl. I S. 830
  15. BVerfG, Urteil vom 19. September 2018 - 2 BvF 1/15, 2BvF 2/15
  16. Urteil: Zensus 2011 war laut Bundesverfassungsgericht verfassungsgemäß bpb, 19. September 2018

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]